Madame Hemingway - Roman
Hotelbesitzer, über den Krieg. Der Geruch des verbrannten Holzes und der Wolle, der Schnee und unsere Zärtlichkeiten – all das wickelte sich wie eine warme Decke um uns und trug zu diesem guten Winter bei.
Den einzigen Schatten auf diese perfekte Idylle warfen Ernests Sorgen um seine Karriere. Es beruhigte ihn nicht, dass all seine Freunde von seinem Talent überzeugt waren oder dass die Rezensionen zu
Three Stories and Ten Poems
durchgängigbegeistert ausgefallen waren. Denn es war nur ein kleines Buch, das seinen großen Träumen längst nicht genügte. Er hatte seiner Familie mehrere frisch gedruckte Exemplare davon geschickt, die jedoch zusammen mit einem frostigen Brief an ihn zurückgesandt worden waren, in dem Ernests Vater erklärte, er und Grace wollten solches Material nicht in ihrem Haus haben. Es sei bestenfalls als vulgär und profan zu bezeichnen. Sie erwarteten Großes von ihm und hofften, er möge sein gottgegebenes Talent eines Tages dazu nutzen können, etwas zu schreiben, das starke Moral und Tugendhaftigkeit ausdrückte. Bis dahin solle er sich jedoch nicht dazu genötigt sehen, seine Veröffentlichungen nach Hause zu senden. Der Brief traf Ernest ins Mark. Was er auch sagen mochte, ihm bedeutete die Anerkennung durch seine Familie immer noch überaus viel.
»Zum Teufel mit denen«, fluchte er, doch er warf den Brief nicht fort, sondern faltete ihn ordentlich und steckte ihn in die Schublade, in der er all seine wichtige Korrespondenz aufbewahrte. »Familien können grausam sein«, sagte er oft, und ich konnte nun deutlich erkennen, was er meinte. Ich erkannte jedoch auch, wie er die Verletzung für sich nutzte, dagegen ankämpfte und seine Bemühungen verdoppelte, um ihnen zu zeigen, dass er ihre Liebe und Unterstützung nicht benötigte. Er würde so lange kämpfen, bis er
Vanity Fair
und die
Saturday Evening Post
überzeugt hatte. Bis ein amerikanischer Verleger ihm eine Chance gab, und er ein richtiges Buch, in der Art, wie er es sich immer gewünscht hatte, veröffentlichen konnte.
Es verbesserte seine Stimmung nicht gerade, dass für Harold zu jener Zeit alles reibungslos verlief. Er hatte seinen Roman wie geplant beendet und sofort an Boni and Liveright geschickt. Und sie hatten ihn angenommen. Wir erfuhren davon direkt vor unserer Abreise nach Schruns. Harold war fast vor Aufregung geplatzt, als er uns besuchen kam. »Was sagt mandazu, Ernest? Hättest du gedacht, dass ich es dahin bringen würde?«
»Selbstverständlich, warum nicht?«, hatte Ernest erwidert. Er war natürlich grün vor Neid, doch er hielt seine Zunge im Zaum und riss sich zusammen, öffnete eine Flasche Brandy und stellte die Sodaflasche auf den Tisch. »Anderson versucht, mich auch bei Liveright unterzubringen. Ich habe ein paar gute Storys, und ich überlege, sie zusammen mit ein paar Skizzen, den Miniaturen, an den Verlag zu schicken.«
»Da bist du genau an der richtigen Adresse«, erklärte Harold. »Worauf wartest du noch?«
»Ich weiß nicht. Es gibt ja auch noch andere Verlage. Was ist mit Scribner’s? Oder Henry Doran?«
»Wo du auch landest, du wirst schon das Beste tun. Es wird alles gut ausgehen für dich. Du wirst schon sehen.«
Ich wusste, dass Ernest sofort jede Gelegenheit ergriffen hätte, sein Buch von einem der großen Verlage veröffentlichen zu lassen, aber auf nachdrückliches Drängen von mir, Harold und Sherwood hin schickte Ernest das Manuskript schließlich kurz vor Weihnachten doch noch an Boni and Liveright. Er hatte sich für den Titel
In unserer Zeit
entschieden, da er in den Texten versuchte, zum Kern des Lebens in diesem Augenblick der Geschichte vorzudringen, mit all seiner Gewalt, seinem Chaos und seiner sonderbaren Schönheit. Es handelte sich um seine bislang beste Arbeit, und er war froh, sie in die Welt hinausgesandt zu haben, doch das Warten auf eine Antwort quälte ihn. Wenn uns die weitergeleitete Post im Hotel Taube erreichte, durchwühlte Ernest sie sogleich ungeduldig auf der Suche nach einer Zusage. Das war alles, wonach er sich je gesehnt hatte.
Ende Februar führte Herr Lent uns hinauf zum Madlenerhaus, einer Berghütte, die sogar im tiefsten Winter geöffnet hatte. Dort gab es eine gute, einfache Küche und einen Schlafsaal,der im Sturm erzitterte, als befände man sich im Inneren eines Schiffes. Von da aus konnten wir fünfhundert Meter den Hang hinaufsteigen und entlang des Silvretta, eines unberührten Gletschers, wieder hinabjagen, wobei unsere Skier den
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