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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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Biersorten sowie Rotwein, Brandy, Kirschwasser und Champagner. Selbst die Luft war Champagner. Bumby fiel in Schruns das Atmen leichter, und eigentlich ging es uns allen so. Tiddy zog ihn auf seinem hölzernen Schlitten durchs Dorf, während Ernest nach dem Frühstück in unserem Zimmer arbeitete, oder es zumindest versuchte, und ich unten am Klavier übte, das mir in dem warmen Raum jederzeit zur Verfügung stand. Nach einem Mittagessen aus hartem Käse, Würstchen, dunklem Brot und manchmal Orangen zum Nachtisch gingen wir dann Ski fahren.
    Wir fuhren in diesem Winter sehr viel Ski. Walther Lent, ein ehemaliger Profiskifahrer, hatte eine Skischule eröffnet, bei der wir uns anmeldeten. Wochenlang gab es nichts als die reine, weiße, vorhersehbare Frische des Schnees. Wir wanderten stundenlang den Berg hinauf, denn wir wollten ganz oben sein, wo niemand anderes war und es nirgendwo Spuren oder sonstige Erinnerungen an irgendjemand anderes gab. Auf diese Weise kostete das Skifahren unglaublich viel Kraft und Durchhaltevermögen. Es gab keinen Lift bis nach oben. Wir trugen unsere Skier auf den Schultern, und was wir ansonsten noch benötigten, hatten wir in Rucksäcke gepackt. Zu meiner großenÜberraschung war ich den Anstrengungen gewachsen. Paris zu verlassen war das Beste gewesen, das ich tun konnte. Ich schlief besser, hatte Unterstützung mit dem Baby, und die Bewegung an der frischen Luft machte mich stärker und fitter als je zuvor. Bei unseren langsamen Aufstiegen sahen wir Alpenschneehühner, Rehe, Marder und manchmal einen weißen Schneefuchs. Auf dem Weg nach unten nahmen wir dann nur noch den unberührten Schnee, die steil abfallenden Gletscher und die großen Pulverschneewolken wahr, die unsere Skier aufstoben. Ich war die bessere Skifahrerin, doch Ernest war besser darin, alles Neue gierig aufzunehmen: die klare Luft, die frische, knirschende Schneedecke. Und die ganze Zeit über stürzten wir hinab. Wir flogen.
     
    Wenn man sich aus dem Fenster unseres Zimmers, auf der zweiten Etage des Hotels »Taube«, lehnte, den Oberkörper weit vorstreckte und sich mit den Fingerspitzen an der verputzten Außenwand festhielt, konnte man nicht weniger als zehn schneebedeckte Berge zählen.
    »Wie gefällt dir das?«, fragte Ernest, als er diesen Trick das erste Mal probiert hatte und dann beiseitegetreten war, um mich hinausschauen zu lassen.
    »Das gefällt mir sehr«, erwiderte ich. Er hatte sich mittlerweile hinter mich gestellt, mich fest an sich gedrückt und seine Arme um mich geschlungen, so dass eigentlich er es war, der mich festhielt. »Das gefällt mir sehr«, wiederholte ich, da ich zwei starke Arme und zehn Berge vor mir hatte. Er zog mich ins Zimmer, und wir legten uns auf das Federbett und liebten uns. Das erinnerte mich wieder daran, was das Beste an uns war: Wie einfach und natürlich unsere Körper sich bewegten, ohne spitze Kanten oder Fehltritte oder das Bedürfnis zu reden. Nirgendwo anders als im Bett war er so sehr mein liebstes Haustier und ich seines.
    Hinter dem Hotel befand sich ein kleiner Hügel, auf dem ich im Neuschnee an meiner Technik feilte, während Ernest ohne großen Erfolg zu arbeiten versuchte. Allein wegen seiner Arbeit vermisste er Paris, die Geschäftigkeit der Stadt und seine Routine dort. Normalerweise war alles verdorben, wenn es mit seiner Arbeit nicht gut lief, doch in Schruns wurde man einfach sanfter durch den Tag geschoben. Wenn ich mit meinen Skiern den Hügel hinabfuhr, wusste ich, dass sein Blick über Weiden, Höfe und Felder schweifte und dass er vielleicht ein wenig angespannt, aber nicht unglücklich war. Und manchmal sah er mir dabei zu, wie ich in geduckter Haltung schnurgerade den Hügel hinunter und direkt auf das Hotel zuraste und erst in letzter Sekunde scharf abdrehte.
    Ernest ließ sich in diesem Winter einen dichten schwarzen Bart wachsen, der ihm hervorragend stand. Er kam zwar nicht mit der Arbeit voran, aber wir spielten Bowling, hielten abendliche Pokerrunden am Kamin ab und tranken Schnaps, der aus Alpenenzian gebrannt wurde und sich heiß und kräftigend und blau auf der Zunge und im Hals anfühlte, so wie man sich den Geschmack von Veilchen vorstellen würde. Abends hingen dicke Rauchwolken im Speisesaal des Hotels. Nach dem Dinner spielte ich ein paar Stücke von Bach oder Haydn, die ich tagsüber geprobt hatte. Währenddessen las Ernest in seinem Sessel am Kamin Turgenew, spielte Poker und rauchte oder unterhielt sich mit Herrn Nels, dem

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