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Madame Lotti

Madame Lotti

Titel: Madame Lotti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Arx
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steht die Autorin.»
    «Hm», sagte die ältere Frau, würdigte mich keines Blickes: «Ich habe Sie auch im Fernsehen gesehen und habe mir gewünscht, Sie mal zu treffen, damit ich Ihnen sagen kann, was für eine tolle Frisur Sie haben.»
    Wir hatten auf unserer Tour durch die Schweiz viel Schönes gehört, von «Sie sind für mich der Engel dieser Weihnachtszeit» über «Ich bewundere Sie aus tiefstem Herzen» bis hin zu «Ich möchte Ihnen Danke sagen, einfach ganz fest Danke sagen», alles. Noch nie aber hatte jemand Lottis Haare bewundert.
    Zur Begrüssung umarmen wir uns, schauen uns an, lachen. Lotti meint: «Hat zwar gedauert, aber schön, bist du jetzt da.» Wir gehen über den grossen Parkplatz zum Kassier, der die Parkgebühren einzieht, warten dort abermals eine Viertelstunde, und endlich sitze ich in Lottis Geländewagen, geniesse ihren afrikanischen Fahrstil und die Lichter der Feuer, die an uns vorüberziehen.
    Inzwischen kenne ich den Weg. Rauf zur Hauptstrasse, dann links. Hupen statt bremsen und knappe zehn Minuten später wieder links auf die Holterdiepolter-Sandstrasse von Adjouffou.
    Die Schlaglöcher sind seit meinem letzten Besuch noch tiefer geworden, ich hüpfe auf dem Beifahrersitz auf und ab wie ein Gummiball auf einer frisch geteerten Strasse. Ich weiss, dass es nur noch knappe fünf Minuten dauert, bis wir im Ambulatorium ankommen, und dass es von dort noch drei Minuten zum Sterbespital sind.
    Da ich die Distanz kenne, kann ich die Schüttelei vergessen und mich auf das Wesentliche konzentrieren: die Marktstände, auf denen ein paar wenige Orangen zu einer Pyramide aufgebaut wurden und unter denen Babys, in Tücher eingewickelt, auf dem Sand schlafen. Die Kinder, die, meist nur mit einer zerlumpten kurzen Hose bekleidet, neben dem Auto herlaufen, unablässig winken und laut «Lotti, Lotti, Lotti» oder «La Blanche, La Blanche» rufen. Etwas, das auch ich die nächsten Tage wieder zu hören bekommen werde. Die Musik, die aus einem Bretterverschlag plärrt und diesen als Restaurant ausweist. Die ausrangierten Tischfussballkasten, die, vor sich hin rostend, manchem, der keine Arbeit findet, die Zeit verkürzen. Das Licht, das von den wenigen Glühlampen kommt, das einzige, das den Slum erhellt. Das Geplapper der Frauen, die in Gruppen herumstehen. Das Rufen der Männer, die vor einem Fernseher, der von einem wummernden Generator mit Strom versorgt wird, ein Fussballspiel verfolgen.
    Als wir beim Ambulatorium ankommen, fragt Lotti, ob ich noch ins Sterbespital fahren wolle. Ich sehe ihr an, wie müde sie ist, und behaupte, ich würde lieber gleich ins Bett fallen.
    Lotti hupt vor dem orange gestrichenen Tor, wartet, bis Ouattara, der Nachtwächter, öffnet. Ich steige schon mal aus, um ihm dabei zu helfen. Als er mich sieht, strahlt er übers ganze Gesicht, umarmt mich etwas schüchtern und wünscht mir «Bonne arrivée», ein «gutes Ankommen». Er lässt Lotti reinfahren, hilft mir, die Reisetasche über diese unendlich steile Treppe, die schon das letzte Mal bedenklich locker in ihrer Verankerung lag, in den oberen Stock zu tragen, verabschiedet sich, geht wieder runter, schliesst das Tor. Wünscht Lotti eine gute Nacht.
    Kaum hat Lotti den Lichtschalter des Gästezimmers gedrückt, entfährt mir ein gellender Schrei. Eine Kakerlake! Gross – ich übertreibe nicht –, gross wie meine Handfläche und mit ihren langen durchsichtigen Flügeln, unter denen ein immenser Körper durchscheint, grausig anzuschauen. Das Tier erspart mir seinen weiteren Anblick, indem es sich hinter der Türe versteckt. Auch ich flüchte. Und wie ich draussen bin, geht Lotti ins Zimmer. Schliesst die Türe, durch die ich nun das grässliche Knacken eines Panzers vernehme.
    «Lotti», rufe ich von draussen, «was tust du bloss?»
    Sie öffnet die Tür, holt Toilettenpapier, verschwindet wieder im Zimmer, kommt raus, entsorgt das leblose Teil im Kehricht, schaut mich an und fragt: «Hast du Hunger?»
    Ja, habe ich, aber ich weiss, wie müde sie ist, deshalb schwindle ich, dass ich jetzt am liebsten schlafen gehen würde.
    «Schlafen?», meint Lotti, «dein Schrei hat die Müdigkeit aus meinen Knochen gejagt wie ein Nagel die Luft aus einem Fahrradpneu! Also komm, gehen wir auf den Nachtmarkt. Wobei, eigentlich müssten wir ja noch ins Sterbespital. Yusuf hat mir nämlich eröffnet, er gehe erst ins Bett, wenn du angekommen seiest. Aber bei deiner Verspätung schlafen jetzt bestimmt alle, und wecken wollen wir

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