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Madame Lotti

Madame Lotti

Titel: Madame Lotti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Arx
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gehen, hörst du die Vögel, bist du dir dieses Friedens hier bewusst?»
    Der Mann sagt: «Ja, es ist schön, aber von dieser Schönheit wird mein Kind nicht gesund.»
    «Dein Kind ist krank? Dann bring es zu mir nach Adjouffou ins Ambulatorium. Wir werden es pflegen.»
    Der Mann meint: «Entschuldige, aber das geht nicht, ich habe kein Geld.»
    «Kein Geld? Das macht nichts. Das Lächeln deines geheilten Kindes wird mir Lohn sein. Die aufgehende Sonne, deren Licht sich hier im Wasser in Milliarden von Sternen spiegelt, siehst du sie? Sie ist meine Anerkennung. Die innere Ruhe, die ich hier verspüre, sie ist der Dank. All das bekomme ich von deinem Land.»
    Meine Worte sind etwas viel für ihn, er schaut mich lange nur an. Dann frage ich ihn: «Glaubst du nicht, dass ich jeden Tag nur schon damit reichlich belohnt werde, dass ich aufstehen kann, um euch zu helfen?»
    Lotti legt das Blatt zur Seite und sagt: «Er glaubte es mir, er brachte sein Kind, und es wurde gesund, und jetzt: Gute Nacht!»

Freitag, 12. März
    Es ist halb fünf Uhr, als es an meine Türe poltert: «Maeve ist gestorben. Ich gehe ins Sterbespital, willst du mitkommen?»
    Monsieur Koné, der heute Nachtdienst hat, öffnet uns das Tor, damit Lotti reinfahren kann. Wir sehen Geneviève auf der Bank vor Aimés Häuschen sitzen, in ihren Armen hält sie Maeve, auf deren Gesicht Tränen ihrer Mutter glitzern. Maeve hat die Augen geschlossen, ihr Mund ist leicht geöffnet, sie sieht aus, als würde sie ganz tief schlafen. Lotti setzt sich neben die beiden, legt Genevièves Kopf an ihre Schulter und redet leise auf sie ein, weint mit ihr. Eine Stunde später liegt Maeve frisch gewaschen und in ein weisses Tuch gehüllt in der Leichenhalle. Lotti wird sie im Laufe des Tages abholen lassen, der Vater des Kindes wird alles Weitere organisieren. Geneviève bleibt im Sterbespital. Erstens, weil Lotti ihr ein paar Tage Erholung verschaffen möchte, und zweitens, weil sie sie ins Mütter-Patenschaft-Projekt aufnehmen will. Maeve hatte zwei grössere Geschwister, die sollen nicht auch noch ihre Mutter verlieren.
    Um halb sechs mache ich mit Lotti einen kleinen Rundgang durch die Zimmer. Die meisten schlafen. Die Mutter von Dieu-Donné liegt auf einer Matte vor dem Männerzimmer, Alimata heute Nacht in ihrem Bett. Thérèse, die Frau mit den in die Haut eingeritzten Zeichen, ist wach, und auch Émilie empfängt uns mit offenen Augen.
    Sie schaut Lotti wie aus weiter Ferne sehr ernst an, fragt dann: «Machst du heute schon so früh Dienst?»
    Lotti erklärt, sie sei wegen Maeve hier und mache überhaupt keinen Dienst, sondern besuche sie einfach.
    «Schade», meint Émilie daraufhin.
    «Warum schade?» «Weil du mich sonst hättest waschen können.»
    «Ich habe Zeit, wenn es dir nicht zu früh ist, Émilie, dann machen wir die Morgentoilette jetzt, warum auch nicht?»
    Lotti bindet Émilies Hände los und geht hinaus, um einen Eimer Wasser und Tücher zu holen. Ich wage mich vor, wünsche Émilie einen guten Morgen. Sie spitzt ihren Mund gefährlich weit nach vorne, zieht ihn dann wieder zurück und kräuselt die Haut zwischen ihren Augenbrauen. Sie spuckt nicht, sie kontrolliert: «Weisst du noch, wen ich heirate?»
    «Ja, Émilie, den Papst.»
    Sie nickt zufrieden, sucht mein Gesicht nach einem Zeichen der Ungläubigkeit ab, findet keines und beginnt dann mit ihren Händen an den Windeln zu nesteln. Wo nur Lotti bleibt? Ich nehme Émilies Hände in meine, was mich zwingt, die Distanz zwischen uns zu verkleinern. Mit den Fingern massiere ich ihre Handrücken, rede beschwichtigend auf sie ein, erzähle, ich sei auch verheiratet und hätte zwei Kinder, frage, ob sie Kinder habe, und merke, dass es mir – in der sicheren Erwartung, doch noch angespuckt zu werden – kaum gelingt, mich auf meine Worte zu konzentrieren. Es ist ein Blabla, nichts weiter. Als Lotti wieder hier ist, mache ich ihr Platz, setze mich zu Thérèse aufs Bett und beobachte, wie Lotti in ihrer Tätigkeit versinkt.
    Während sie Émilie von Kopf bis Fuss wäscht, dabei weder die Ohren noch die Zehenzwischenräume vergisst, ist sie mit jeder Faser bei Émilie.
    «Sag, so gross wie du bist, warst du ein Mannequin?»
    Das wisse sie nicht mehr so genau, meint Émilie nun, das habe sie vergessen, aber wenn Mannequins diese Frauen in schönen, teuren Kleidern seien, dann könnte sie tatsächlich ein solches gewesen sein.
    «Ich habe», erzählt sie weiter, «ein gutes Leben gehabt, ein verwöhntes.

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