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Madame Lotti

Madame Lotti

Titel: Madame Lotti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Arx
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den Pfeilbogen nach. Irgendetwas war da noch. Aber was? Plötzlich fällt es mir ein.
    Lotti und ich sassen schon einmal hier und redeten über unsere Kinder und dass Kinder nicht zum Lebensinhalt werden dürfen. Wir erinnerten uns dabei an ein Gedicht des Propheten Khalil Gibran und zitierten es. Und dies, wie ich jetzt feststelle – unvollständig!
    Ich gehe hinauf, setze mich neben Lotti an einen Computer und suche im Internet nach dem Gedicht. Ich drucke es aus, knicke den unteren Teil des Blattes nach hinten, lege es Lotti auf die Tastatur.
    «Das kenne ich», sagt sie, «das haben …»
    «Liest du es mir vor?»
    «Du wieder mit deinen Ideen!», meint sie und liest dann doch und sogar engagiert vor:
    Deine Kinder sind nicht deine Kinder. Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selbst
.
    Sie kommen durch dich, aber nicht von dir, und obwohl sie bei dir sind, gehören sie dir nicht
.
    Du kannst ihnen deine Liebe geben, aber nicht deine Gedanken, denn sie haben ihre eigenen Gedanken
.
    Du kannst ihren Körpern ein Heim geben, aber nicht ihrer Seele, denn ihre Seele wohnt im Haus von morgen, das du nicht besuchen kannst, nicht einmal in deinen Träumen
.
    Du kannst versuchen, ihnen gleich zu sein, aber versuche nicht, sie dir gleich zu machen. Denn das Leben geht nicht rückwärts und verweilet nicht beim Gestern
.
    Lotti schaut mich fragend an.
    «Und nun, Lotti, falte den unteren Teil nach vorne und lies den Rest.»
    Du bist der Bogen, von dem deine Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden
.
    Lass deine Bogenrundung in der Hand des Schützen Freude bedeuten
.
    Lotti meint: «Den Schluss hatte ich vergessen.»
    «Ich auch. Dr.Chenals Bild mit dem Pfeilbogen hat ihn mir in Erinnerung gerufen.»
    «Schön, darf ich es behalten?»
    Ich nicke, und Lotti faltet das Blatt, steckt es in ihre Tasche und widmet sich dann wieder ihren E-Mails.
    Als wir die Kinder abholen, hat Christ erneut Fieber. Das ist wohl auch der Grund, weshalb er als Einziger keine Bastelarbeit vorzulegen hat. Die anderen sechs präsentieren ihre Werke stolz und freuen sich über unser Lob.
    Wieder zu Hause, lege ich mich mit Christ, nachdem dieser seine Malariamedikamente geschluckt hat, in Lottis Büro aufs Bett. Als ich erwache, knurrt mein Magen. Draussen ist es bereits dunkle Nacht. Ich bringe den Kleinen, der nach wie vor schläft und dessen Fieber spürbar gesunken ist, zu Arlettes Kindern. Monsieur Koné richtet mir aus, Lotti sei ins Bett gegangen. In der Küche hole ich mir eine Banane, und als ich zum Tor gehe, komme ich an Alimata vorbei, die heute wieder unter freiem Himmel und funkelnden Sternen nächtigt. Sie ist wach. Ich gehe zu ihr hin, wünsche ihr schöne Träume und erhalte – ein Lächeln!

Samstag, 13. März
    Heute um elf Uhr nachts wird mein Flugzeug starten. Mich zurückbringen zu meiner Familie, zu unserem Alltag und unter eine Dusche, die immer Wasser führt. Das Frühstück nehme ich mit Lotti zusammen am Kiosk ein, wo heute ausnahmsweise auch Général de Gaulle am Tresen sitzt. Er begrüsst mich herzlich, schaut mich wissend an, lächelt.
    «Du hast die Küken nicht mitgebracht?»
    Ich schüttle den Kopf. Was den Général nicht traurig stimmt. Ganz im Gegenteil: «Zum Glück nicht, da bin ich aber froh!»
    «Froh? Warum froh?»
    De Gaulle schaut mich etwas entgeistert an: «Liest man in der Schweiz keine Zeitungen?»
    Jetzt dämmerts mir: «Wegen der Hühnerpest?»
    «Genau! Das hätte ja schön ins Auge gehen können, wenn du mir die Viecher diesmal mitgebracht hättest. Es ist mir weit lieber, du bringst sie das nächste Mal, wenn ich bitten darf.»
    Meine Einwände wegen Zoll- und Einfuhrbestimmungen kontert der Général mit der Frage: «Willst du mir helfen, oder willst du dich ans Gesetz halten?»
    Nach dem Frühstück gehen wir ins Ambulatorium, wo heute eine Ärztin Ultraschalluntersuchungen macht. Das Gerät ist eine Spende der japanischen Botschaft. Die Ärztin arbeitet normalerweise in der Stadt, kommt aber jeden Samstag in den Slum. Sie untersucht nicht in erster Linie Schwangere, sondern Patienten, die an einer Tuber-kulose leiden. Sie arbeitet ruhig und konzentriert, misst aus, registriert, redet dabei immer mit den Kranken, fragt, wie sie sich fühlen und wo genau es wehtue.
    Als sie fertig ist, erklärt sie mir: «Tuberkulose betrifft vor allem die Lunge, aber sie kann auch auf andere Organe wie Nieren, Leber, Milz, die Knochen und die Hirnhaut übergreifen. Und genau

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