Madame Mystique
bin ich Ihnen das schuldig.« Sie schaute auf die Uhr. »Sagen wir in ungefähr einer Stunde unten im Restaurant?«
»Danke, das ist nett. Ich werde sicherlich auch kommen. Im Moment möchte ich mich etwas frisch machen und meine Kleidung wechseln. Sie sieht nicht eben sauber aus.«
»Da muss ich mich noch einmal entschuldigen. Aber Tiere sind eben Tiere und manchmal unberechenbar.«
Sie lächelte ein letztes Mal, öffnet die Tür und verließ das Zimmer. Maxine schaute ihr nach. Die erste Begegnung mit der Tierpsychologin hatte sie sich ganz anders vorgestellt, und sie wusste nicht, ob sie davon begeistert sein sollte oder nicht.
Sie versuchte jetzt, Tabea einzuschätzen.
Wie hatte John Sinclair sie noch genannt? Madame Mystique. Da hatte er wohl den Nagel auf den Kopf getroffen, ohne die Frau überhaupt zu kennen. Wenn sich Maxine die Begegnung noch mal durch den Kopf gehen ließ, musste sie einfach zu dem Schluss gelangen, dass diese Person schon etwas Mystisches an sich hatte. Sie war geheimnisvoll, und das lag auch an ihren verschieden farbigen Augen. Zuerst hatte Maxine an eine Täuschung gedacht. Je länger sie allerdings geschaut hatte, um so mehr war sie davon überzeugt gewesen, dass diese Zweifarbigkeit tatsächlich existierte. Eine Laune der Natur, oder sollte damit etwas Bestimmtes angedeutet werden?
Sie wusste es nicht, aber dafür würde sich bestimmt auch John Sinclair interessieren. Für Maxine allerdings war jetzt etwas anderes wichtig. Sie hatte zwar so getan, als würde sie im Haus bleiben, doch daran dachte sie nicht im Traum. Tabea Ryder hatte durch ihr Erscheinen ihren Jagdeifer und ihre Neugierde nicht schmälern können. Sie würde das Hotel verlassen, aber nicht durch den normalen Eingang, sondern über den Balkon hinweg. Auch wenn er in der ersten Etage lag, so hoch war es nicht. Das musste zu schaffen sein.
Sie schloss die Tür wieder von innen ab und steckte den Schlüssel ein. Umziehen wollte sich Maxine nicht. Für ihr Vorhaben war es nicht wichtig, saubere Kleidung zu tragen.
Sie trat auf den Balkon. Die Tür zog sie so weit wie möglich zu. So konnte von außen niemand sehen, dass sie nicht fest verschlossen war. Danach begann sie, ihren Plan in die Tat umzusetzen...
***
Ein letzter Sprung, und die Tierärztin hatte den Boden erreicht. Es war ihr gelungen, sich am Balkon hängen zu lassen, und sie hatte auch an der Mauer noch einen Halt gefunden, weil die Steine nicht so glatt zusammenlagen, sondern vorsprangen. So war sie noch tiefer gelangt und war dann gesprungen.
Mit beiden Beinen stand sie auf dem sicheren Boden. Und wieder war es der Nebel, der sie mit seinen Schleiern umspielte und ihr einen gewissen Schutz gab. Er war nicht weit bis zu den Bäumen. Maxine lief schnell hin und fand zwischen zweien davon einen Platz.
Der Lichtschein in ihrem Zimmer war durch den Nebel nur als schwaches Schimmern zu erkennen. Mit dem zweiten Blick stellte sie fest, dass in den anderen Räumen überhaupt kein Licht brannte, was mehr als unüblich für ein Hotel war. Hinter den Fenstern lagen die Zimmer im Dunkeln, so konnte der Betrachter den Eindruck haben, ein verlassenes Hotel vor sich zu sehen, in das sich kein Gast mehr verirrte.
Es waren auch keine Laute oder Stimmen zu hören. Und ein Wiehern erreichte ihre Ohren ebenfalls nicht.
Ungefähr zwei Minuten wartete sie ab. Der Stall interessierte sie natürlich. Sie war gespannt, welche Tiere sich dort noch aufhielten, und sie war zugleich davon überzeugt, dass sie ihn schnell durchsuchen konnte, um John Sinclair mit Informationen zu versorgen, wenn er hier eintraf.
Das Handy hatte sie sicherheitshalber ausgeschaltet. Sie würde es wieder in Betrieb setzen, wenn sie den Stall verließ.
Die Rückseite eines Hotels sieht selten so aus wie die Vorderseite, die ja einladend sein muss. Sehr schwach sah Max eine Hintertür, die glücklicherweise auch geschlossen war und ebenfalls blieb, als sie daran vorbeischlich.
Es gab keinen Weg. Sie ging über den feuchten Boden, der mit Grasbüscheln bewachsen war, und sah wenig später die Umrisse des Stalls vor sich auftauchen.
Er war recht groß. Auch so hoch, dass Pferde darin ihren Platz fanden und auch die anderen Tiere, von denen Tabea Ryder gesprochen hatte. Das war für sie wichtig, und Maxine war gespannt, welche Arten von Tieren sie noch alles hielt. Sie traute der Frau nicht über den Weg. Immer stärker setzte sich bei ihr die Überzeugung fest, dass genau sie es gewesen war,
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