Madame Mystique
unsere Gastgeberin eigentlich aus?«
»Ich kenne sie nur von ihren Büchern her. Dort ist ihr Bild auf der Rückseite abgebildet.«
»Das ist natürlich etwas anderes. Egal, wir werden es so machen, wie wir es abgesprochen haben. Und gib auf dich Acht.«
»Darauf kannst du dich verlassen, John. Bis bald, ich freue mich.«
»Ich auch, Max.«
***
Die Tierärztin war beruhigt, als sie das Handy wieder wegsteckte. Beruhigt und auch beunruhigt, denn sie konnte sich noch immer keinen Grund vorstellen, weshalb gerade John Sinclair und sie in dieses Hotel eingeladen worden waren, um an einer Party teilzunehmen. Sie kannte Tabea Ryder nur vom Telefon her. John Sinclair kannte sie überhaupt nicht. Warum dann die Einladung?
Es gab nur einen Grund. Etwas mussten sie und John gemeinsam haben, das eine Verbindung hergestellt hatte. Man konnte es auch anders ausdrücken. Sie und John mussten dieser Person auf die Füße getreten sein, ohne es zu wissen.
Ihr wurde plötzlich warm. Sie stand auf und öffnete die Balkontür. Die kühle Abendluft fächerte gegen sie. Die Sicht war noch schlechter geworden, obwohl der Nebel nicht zugenommen hatte. Es lag einzig und allein an der allmählich hereinbrechenden Dunkelheit, die sich über das Land legte.
Vielleicht war es auch schon dunkel geworden. So genau sah sie das nicht.
Draußen war es still. Der Nebel schluckte die Geräusche. Sie hörte weder das Wiehern der Tiere noch das Stampfen der Hufe auf dem weichen Boden. Als normal sah sie es dennoch nicht an. Sie glaubte, aus sicherer Deckung beobachtet zu werden, und das brachte sie wieder auf den Gedanken, in eine Falle gegangen zu sein, die schon längst zugeschnappt war. Und die andere Seite würde ihre Augen weit offen halten, damit sie aus der Falle nicht herauskam.
Sie konnte sich auch vorstellen, dass Tabea Ryder durch den grauen Dunst schlich und so aussah wie die Gestalt, deren Umrisse sie gesehen hatte. Es konnte ja sein, dass sie zwei Leben führte. Das eine für die Öffentlichkeit, das andere eben war dann ihre wahre Bestimmung, und die blieb zunächst mal verdeckt und trat nur immer dann zum Vorschein, wenn es wirklich nötig war.
Warum die Einladung? Warum diese Falle? Maxine grübelte so lange darüber nach, bis sie beinahe Kopfschmerzen bekam. Es störte sie auch, dass sich der Nebel so träge bewegte. Da hatte sie das Gefühl, in ihm unheimliche Gestalten zu sehen, die zwischen den nahen Bäumen lauerten und nur darauf warteten, dass sie einen Fehler beging.
Ich werde euch den Gefallen nicht tun!, dachte sie. Auf keinen Fall. Wer immer ihr auch seid. Ich werde so lange hier aushalten, bis John Sinclair eintrifft. Mindestens. Und ich...
Das Klopfen an der Tür drang an ihre Ohren. Sie hatte schon nicht mehr an Tabea Ryder gedacht, jetzt aber war sie davon überzeugt, dass nur sie geklopft haben konnte. Dass es Rhonda, die junge Frau vom Empfang, war, konnte sie sich nicht vorstellen.
Nach dem zweiten Klopfen verließ die den Balkon und ging zur Tür. »Ja, ich komme schon!«, rief sie so laut, dass es auch im Flur gehört werden konnte. Sie hatte versucht, ihrer Stimme einen normalen Klang zu geben. Zweimal drehte sie den Schlüssel, dann stand Tabea Ryder vor ihr.
Unwillkürlich wich Maxine einen winzigen Schritt zurück. Sie wollte etwas mehr Raum zwischen sich und Tabea bringen, obwohl das nicht nötig war. Vor ihr stand kein Gespenst, sondern eine völlig normale Frau, die sie neutral anlächelte.
»Ich freue mich, dass Sie gekommen sind, Dr. Wells. Ich war überrascht, als ich von Rhonda hörte, dass Sie schon da sind. Aber Sie hatten ja eine lange Reise hinter sich.«
»In der Tat, Mrs. Ryder.«
»Bitte, sagen Sie Tabea. Irgendwo liegen wir ja auf der gleichen Ebene, denke ich.«
»Da kann schon sein.«
»Und Sie wollten mich sprechen.«
»Genau.«
»Darf ich eintreten?«
»Klar, entschuldigen Sie.«
Tabea Ryder betrat das Zimmer, schaute sich kurz um und nickte. »Ich hoffe, es gefällt Ihnen hier.«
»Ja, es ist sehr nett und ruhig.«
»Das ist wichtig.« Tabea räusperte sich und nahm in einem Sessel Platz. Sie gab sich sehr sicher, wie jemand, der genau weiß, dass ihm nichts passieren kann. Lässig schlug sie die Beine übereinander, und da sie in den folgenden Sekunden nichts sagte, bekam Maxine Zeit, um sie sich genau anzuschauen.
Tabea trug Jeans, einen schwarzen Pullover, und ihre Füße steckten in halbhohen Stiefeln. Das dunkle Haar war halblang geschnitten und von Strähnen
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