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Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Titel: Madame Zhou und der Fahrradfriseur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Landolf Scherzer
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besaß, malte ich die Übungen in das Buch. Bis sie uns auch die verboten, habe ich sie täglich gemacht. ›Ihr seid hier nicht zur Kur‹, schrie ›Hakennase‹, der Anführer, und stieß Ero zur Strafe hinunter in das enge Kellerloch. Ero war schon 70 und litt an einer akuten Prostataerkrankung. Im Kellerloch – draußen waren es minus 30 Grad – pinkelte er sich in die Hose. Immer wieder dieses furchtbare Spiel.«
    Nach 195 Tagen, an einem Freitag, dem 13.: Am 13. Februar 1998 kam Klaus Schmuck gegen ein Lösegeld von 1 000 000Dollar und 63 000 DM frei. Sein Portemonnaie, das nach dem Schimmel des Verstecks riecht, besitzt er noch. Außerdem einen Ledergürtel, ein Hemd und das Buch. Klaus erzählt über seine Geiselhaft, als müsste ich alle Einzelheiten schon kennen. Nach vielen Gesprächen, oft waren es nur bruchstückhafte, versuche ich das Puzzle der 195 Tage zusammenzusetzen.
    Wegen seiner perfekten Russisch-Kenntnisse erhielt er 1990 eine Anstellung bei einer Westberliner Arzneihandelsfirma. Bald vermittelte er Geschäfte mit Russland. Das Unternehmen gründete in Moskau zwei Joint-Venture-Firmen. In einer wurde Klaus Schmuck 1991 Geschäftsführer.
    Als Gegenleistung für den Transit von russischem Erdgas durch die abtrünnige russische Republik Tschetschenien erlaubte es Russland, Medikamente und Lebensmittel nach Tschetschenien einzuführen. In Berlin bedrängten Tschetschenen den Chef der Arzeneimittelfirma persönlich in die tschetschenische Hauptstadt Grosny zu kommen, um dort Verträge über die Lieferung von Arzneimitteln abzuschließen. Wieder und wieder vertröstete der Firmenchef die Tschetschenen, die darauf bestanden, dass er, der »bolschoi natschalnik« – der »Big Boss« –, selbst verhandelte. Weil er sich weigerte, stimmten sie schließlich zu, dass statt seiner der 7 Jahre in der Firma arbeitende Klaus Schmuck und der Serbe Ero Petrovic die Verhandlungen in Tschetschenien führen sollten. Beide starteten am 3. August 1997 in Moskau und landeten auf dem Flughafen Inguschetia, benannt nach der Republik Inguschetien, von wo aus sie mit dem Auto nach Grosny gebracht werden sollten.
    Klaus zeigt mir eine der vielen Veröffentlichungen in deutschen Medien.
    Berliner Zeitung, 12. August 1997:
    »Berliner in Rußland entführt
    Ein 34-jähriger Geschäftsmann aus Berlin« (Klaus Schmuck war zu dieser Zeit 41) »ist vermutlich von Mitgliedern einer tschetschenischen Bande im Nordkaukasus entführt worden.

    Klaus Schmuck an seinem langen Konferenztisch
    Die Täter fordern für seine Freilassung 3,5 Millionen Dollar Lösegeld. […] Auf dem Flughafen der inguschetischen Hauptstadt Nasran, von wo aus die Männer weiterreisen wollten, wurden die Geschäftsleute entführt. Nach bisherigen Erkenntnissen waren Schmuck und sein Begleiter bereits am Flughafen von den Tätern mit hochgehaltenen Namensschildern erwartet worden. Seitdem fehlt von den Männern jede Spur. […] In dem Berliner Unternehmen wollte man sichgestern nicht zum Verschwinden von Klaus Schmuck äußern. ›Dazu geben wir keine Auskunft‹, sagte eine Mitarbeiterin der Firma. Die Deutsche Botschaft in Moskau, die am Freitag nachmittag von der Verschleppung erfahren hat, steht in Kontakt mit den zuständigen russischen Stellen. ›Nicht aber mit den Entführern‹, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Bonn. Auch in Berlin laufen die Ermittlungen auf Hochtouren. Inzwischen sind Beamte der 5. Mordkommission mit dem Entführungsfall betraut worden. Justizsprecherin Michaela Blume: ›Die Ermittlungen dauern an. Um das Opfer zu schützen, können wir jedoch keine Einzelheiten über die Entführung bekanntgeben.‹«
    Klaus: »Die Tschetschenen hatten uns freundlich empfangen. Aber irgendwann nach langer Fahrt zog der auf dem Beifahrersitz plötzlich eine Pistole und schoss aus dem Fenster des Jeeps. Ich dachte noch: Was soll das? Wir fuhren zwar angeblich in Richtung Grosny, aber die Straßen wurden nicht breiter, sondern immer schmaler. Dann hielten wir außerhalb eines Dorfes vor einem sehr alten Bauernhaus. Ein Teil des Daches war wohl durch Raketenbeschuss zerstört worden. Und vor dem Gehöft saß einer mit einer Maschinenpistole. Das war’s dann. Du realisierst nicht sofort, was passiert ist, dass du jetzt Geisel sein sollst. Da denkst du als Geschäftsmann erst einmal an die Geschäfte, und mein erster Gedanke war: Was soll der Blödsinn? Nächste Woche habe ich einen wichtigen Termin.
    In den ersten Tagen und Wochen

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