Madame Zhou und der Fahrradfriseur
schlachten!‹«
Wie das Lösegeld für ihn (der Serbe Ero Petrovic kam auf den Tag genau erst ein Jahr später frei) aufgebracht werden konnte, erfuhr Klaus Schmuck erst nach der Geldübergabe am 13. Februar 1998 in Grosny.
1000000 Dollar und 63 000 DM in einer Tasche mitten auf der Straße. Seine Eltern und der »Freundeskreis Klaus Schmuck« hatten 63 000 DM gesammelt. Die Firma gab 300 000 Dollar, und 700 000 Dollar spendete ein unbekannter Mann, der in Kolumbien in Geiselhaft gesessen hatte und in Deutschland später eine Stiftung gründete, um Geiselopfern zu helfen.
»Danach war ich, an was ich 195 Tage fast nicht mehr geglaubt hatte, wieder in Freiheit. Aber trotzdem nicht frei!«
Mit diesem Satz im Ohr und meinem wertvollen erinnerungsträchtigen »Mitleid ist umsonst, Neid musst du dir erarbeiten«-Buch im Rucksack gehe ich hinaus in die Kälte. Noch als mich ein Lehrer im Eingang zur Deutschen Schule bittet, meine Adresse aufzuschreiben, ist die Tinte gefroren.
Die Schüler im Auditorium, in dem auch Anja Obst ihr Buch vorgestellt hat, sind sehr viel ruhiger und aufmerksamer als ich es von Schulen in Deutschland kenne. Ich lese über dieErben der Firma Topf in Erfurt, die während der Nazizeit Verbrennungsöfen für die Konzentrationslager, unter anderem für das in Buchenwald, hergestellt hat. Ich lese über das Zusammenwachsen und Auseinanderdriften der Menschen, die in Ost und West entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze wohnen. Ich erzähle von meiner Arbeit als Hochseefischer vor Kanada und als Maurer in Afrika und sage, dass ich die Schüler hier darum beneide, dass sie viel mehr über China wissen als ich. Nach den Standardfragen, weshalb man Schriftsteller geworden ist, wie lange man an einem Buch schreibt und was man damit verdient, wollen die Mädchen und Jungen wissen, wie mir Peking gefällt. Und was ich über die Chinesen denke, die, um sich »innerlich zu säubern«, wo sie gehen und stehen auf den Boden spucken. Sie fragen, ob ich glaube, dass es gut für Chinas Zukunft ist, dass nur eine Partei regiert, und ob ich mir vorstellen könnte, für immer in China zu arbeiten, vielleicht eine Chinesin zu heiraten …
Wir reden, obwohl schon Schulschluss ist, noch eine gute halbe Stunde über China und schließen am Ende einen Pakt: Wenn das Buch erscheint, werde ich mindestens acht (»Das ist eine gute chinesische Zahl«, erklärt einer der schon 5 Jahre in Peking lebt) Exemplare an die Deutsche Schule schicken. Und die Schüler der 9., 10. und 11. Klassen beantworten mir dafür (»Wenn wir Zeit haben«, sagt eine, die erst ein Jahr in Peking lebt) meine Fragen über China schriftlich. Und der Stellvertretende Schuldirektor bedankt sich (das hat er, ganz im Stil eines Direktors in Deutschland, schon zu Beginn der Lesung getan und sich wegen dringender Termine wieder verabschiedet) für die Lesung mit einer Flasche chinesischem Wein … Als ich gehe, ist auch die Tinte wieder aufgetaut.
Am frühen Abend fahren Klaus und ich ins »Schillers«. Friederike hat mir versprochen, dort beim Bier über den zweiten Teil ihres Lebens, den Aufenthalt in China, zu berichten. ImAuto frage ich Klaus, wie er sich gefühlt hat, nachdem er am 14. Februar 1998 in Berlin gelandet war. Er brabbelt unwirsch, dass er mir darauf schon am Vormittag mit dem Satz »Ich war wieder in Freiheit, aber nicht frei« geantwortet hat.
Der Firmenchef entließ ihn sofort »wegen Geschäftsschädigung« mit der Bemerkung: »An Ihrer Stelle wäre ich in Tschetschenien geblieben.«
Danach lebte Klaus auf sich gestellt monatelang mit der Angst, denn »Hakennase« hatte ihm gesagt, dass die »tschetschenischen Kämpfer« überall Stützpunkte besitzen. Auch in Berlin, wo sie vor der Entführung mit der Geschäftsleitung über Medikamentenlieferungen und den Besuch des Chefs in Tschetschenien verhandelt hatten. Und wenn er, der Urod Klaus Schmuck, ein Wort bei der Polizei sagen würde, das sie verraten oder ihnen schaden könnte, sollte er sich schon sein Grab schaufeln lassen. »Wir finden dich Missgeburt überall.«
Er schlief keine Nacht mehr ruhig, schaute beim Autofahren ständig in den Rückspiegel, verkaufte sein Haus und zog einstweilen unter seinem früheren Namen Müller (er hatte bei der Heirat den Namen der Frau angenommen) in eine andere Wohnung. Die Behörden schützten seine Wohnadresse, indem sie die Absender finanzieller Forderungen überprüften, bevor sie ihm die Post weiterleiteten.
Ein Jahr nach
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