Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Titel: Madame Zhou und der Fahrradfriseur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Landolf Scherzer
Vom Netzwerk:
Zug versprochenen Antworten auf »unsere« vier Standardfragen schuldet.
    »Ein guter Tag?«
    »Ein guter Tag war, als mir wohl der Buddha selbst meinen Chow-Chow-Kater geschenkt hat. Zwei Jahre zuvor hatte mich meine große Liebe – ein Student aus Erfurt – verlassen, und ich lebte sehr einsam. Ich sah den Kater, er strich um meine Füße, rieb sich an meinem Bein und jammerte kläglich. Da habe ich ihn von der Straße aufgehoben und mitgenommen. Er ist sehr lieb und immer bei mir.«
    »Ein schlechter Tag?«
    »Das habe ich dir schon gesagt. Wenn ich daran denke, dass meine Eltern so weit entfernt von mir allein leben und sie darauf warten, dass ich heirate, eine Familie gründe und mich endlich um sie kümmern kann.«
    »Und was wünschst du China?«
    »Dass die chinesische Regierung besser für die Alten und die Armen sorgt. Früher sind wir Pioniere zu den alten Menschen gegangen und haben ihnen geholfen. Aber heute? Die Reichen müssten mehr Steuern bezahlen, damit der Staat mit diesem Geld die Armen unterstützt und die Gesellschaft in China harmonisch miteinander leben kann. Außerdem wünsche ich, dassdie Chinesen sich immer weiterbilden. Sie sollen sich aber nicht zu Fachidioten entwickeln, sondern auch Tugenden erwerben.«
    »Und was wünschst du dir?«
    »Mindestens zwei Kinder, ein Haus, einen Garten, Harmonie im Leben und einen klugen, unternehmungslustigen Mann, mit dem ich oft in viele Länder reise. Vielleicht würde ich auch einen reichen Mann, einen Millionär nehmen. Aber ein Millionär hat viel zu tun und keine Zeit für mich. Also würde ich nur einen Millionär haben wollen, der nicht viel zu tun hat.«
    Zum Schluss reden wir doch noch über die Liebe. Kuni sagt, dass sie bisher immer nur in deutsche Männer verliebt war. Und fragt unsicher, ob die Verbindung zwischen einer Chinesin und einem Deutschen auf Dauer halten und daraus eine glückliche Familie werden kann. Genauso unsicher, wie sie gefragt hat, antwortet sie selbst: »Obwohl … ich spreche gut Deutsch, ich kenne Deutschland. Ich bin eine halbe Deutsche. Und mein deutscher Freund spricht Chinesisch, lebt in Deutschland und ist ein halber Chinese. Also verbindet uns vielleicht mehr, als wenn ich, die ich nur noch eine halbe Chinesin bin, einen ganzen Chinesen heiraten würde. Und mein halber deutscher Freund eine ganze Deutsche.«
    Sie lacht, wird aber sofort wieder ernst.
    »Als mein Erfurter Freund nach Deutschland zurückflog, hat er beim Abschied lange geweint. Aber danach meldete er sich nie wieder aus seiner Heimat. Wie soll ich wissen, ob mein neuer Freund mich wirklich liebt? Und ob ich ihn so sehr liebe, dass wir eine gemeinsame Zukunft haben können?«
    Sie treffen sich, sagt sie, wenn sie Sehnsucht haben, ein oder zwei Mal in der Woche im Restaurant. »Sonst lebt jeder für sich.«
    Ich rate altklug: »Dann solltest du deine Wohnung nicht nur mit dem Chow-Chow, sondern zur Probe auch einmal mit deinem deutschen Freund teilen. Wenn ihr dann täglich zusammen seid und noch in dieser Nähe Sehnsucht nacheinanderhabt, dann wird es wahrscheinlich Liebe sein. Da unterscheiden sich Chinesen bestimmt nicht von Deutschen.«
    Trotz der empörten Blicke einiger Passanten umarmen wir uns zum Abschied auf der belebten Straße vor dem Café.
    Und das bleibt meine intimste Berührung mit einer Chinesin.

SPICKZETTEL (15)
    Nadira G., Berufswunsch: Tierärztin oder Architektin
    Für China wünsche ich, dass das Gesundheitswesen verbessert wird. Auch sollte der Respekt vor Tieren und vor anderen Menschen immer weiter steigen. Dann wünsche ich, dass die chinesischen Menschen nicht ständig dem Druck ausgesetzt sind, der Beste sein zu müssen. Dass sie mehr darüber erfahren, was in ihrem Land und der Welt vor sich geht. Theoretisch könnte ich mir vorstellen, einen Chinesen zu heiraten, doch ich hab schon einen Freund. Chinesische Männer können sehr freundlich und lustig sein. Außerdem sind sie meist sehr gebildet und verfolgen ihre Ziele sehr konsequent.

    Ferdinand D., Berufswunsch: Designer
    Ich wünsche China einen langsamen Wandel hin zu demokratischen Verhältnissen, eine wirtschaftliche Stabilität und ein offeneres Internet.
    Wenn ich an Deutschland denke, vermisse ich in China die deutsche Sauberkeit, Döner, Bratwurst, Europäerinnen, Fachzeitschriften. Und in Deutschland würden mir die Leichtigkeit, das zu tun, was man möchte, die Gelassenheit der Chinesen und der verrückte Verkehr fehlen.

Die Geisel
    ODER:
    »Wo zai wai

Weitere Kostenlose Bücher