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Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Titel: Madame Zhou und der Fahrradfriseur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Landolf Scherzer
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Weinbrand« und schenkt die Gläser voll. »Danke für den Neudietendorfer aus der Heimat«, sagt er, »aber auch hier ist fast alles Heimat.«
    Es gibt saure Gurken aus einem der vielen internationalen Läden, Brötchen vom deutschen Bäcker, Wernesgrüner Bier aus einem der deutschen Restaurants und Schweinshaxen, Rippchen, Rostbrätel und Bratwürste nach eigenem Rezept aus dem deutschen Fleisch- und Wurstbetrieb. »Den hat der ehemalige DDR-Militärattaché Oberst a. D. Steffen Schindler nach der Wende in Peking aufgebaut, und er liefert seine Ware in die größten chinesischen Städte.«
    Frank fragt, ob ich eine Thüringer Bratwurst möchte. »Seitdem der Schindler einen südthüringer Kollegen – früher auch im Außenministerium der DDR beschäftigt – als Betriebsleiter eingestellt hat, schmecken die wirklich wie Thüringer.« Meint zumindest er. Ein Sachse!
    Als er in das Haus geht, sehe ich, dass auf dem Rücken seiner schwarzen Jacke in großen Buchstaben »MAD DOG CHINA« steht. Man kann es als »verrückter Hund« oder auch »tollwütiger Hund« übersetzen. Frank gehört zu einem internationalen Motorradclub. »In China musst du dich nicht wie in Deutschland durch bewohnte Gegenden quälen, hier kannst du als Biker die Freiheit genießen. Tausende Kilometer unbewohnte Freiheit.«
    Ein Dutzend seiner »MAD DOG«-Freunde sind zur Geburtstagsparty gekommen. Alle uniformiert in schwarzen Motorradjacken. Ich bitte Frank, dass er mir irgendwann mehr von den »verrückten Hunden« in China erzählt. Solch ein Interview muss der Präsident der »MAD DOG« genehmigen, sagt er. Der Präsident, ein Engländer, trinkt mit mir zwei Bier, dann sagt er: »Okay!« Doch heute nicht, entgegnet Frank. Heute sollten wir feiern.
    Irgendwann vor Mitternacht fordert mich Frank auf, in die Küche zu kommen. Er hat dort noch saftig gegrilltes Lammfleisch im Topf. Um den großen Topf stehen schon drei deutsche Männer, essen Fleisch, trinken Rotwein und schwärmen von den, wie sie sagen, beim Sex unübertrefflichen chinesischen Frauen. Nach meinem zweiten Glas Wein – Wein ist in China teuer, eine Flasche einfacher französischer Tischwein kostet über 10 Euro – fragt einer der Männer, wie lange ich noch in Peking bleiben werde. Mindestens 5 Wochen, sage ich.
    »Warte noch zwei Wochen, dann packt auch dich das Gelbfieber«, prophezeit einer. »Chinesische Frauen sind im Bett völlig anders.«
    »Wie anders?«, frage ich.
    »Zärtlicher, weicher, anschmiegsamer, leiser und doch leidenschaftlicher. Man kann es nicht beschreiben. Das musst du selbst erleben.«
    Frank legt mir ein neues Stück auf den Teller. Es ist so zart und saftig, wie ich noch kein Lamm gegessen habe.
    Der Schlankste und Größte der drei warnt mich vor chinesischen angeblichen Massagesalons. Das Gewerbe sei inzwischen zwar auch in der Volksrepublik China stillschweigend legalisiert und von der Kommunistischen Partei toleriert (»Wie alles, was Geld – oder, wie sie es hier nennen, ›Wohlstand für das Volk‹ bringt. Mehr als zehn Millionen Prostituierte arbeiten in den großen Städten von China.«), aber selbst ein Besuch in einem chinesischen Tanzlokal könnte für einen Ausländergefährlich enden. Und dann hätte man kaum eine Chance zu klagen, geschweige denn sein Recht durchzusetzen.
    Ausführlich und manchmal lachend und manchmal fluchend, erzählt er die Geschichte des jungen Deutschen, dessen Leiche wochenlang nicht aus dem Kühlhaus in Peking herausgegeben wurde. Von diesem Fall gebe es zwei Versionen. »Eine vertritt das chinesische staatliche Taxiunternehmen in Peking und die andere die nach der Wahrheit suchenden Angehörigen. Die zwei Versionen gleichen sich nur in zwei Fakten: Erstens, dass der Deutsche ein Tanzlokal besuchte, es mit einer chinesischen Freundin verließ und zum Taxistand ging. Die zweite Übereinstimmung: Er wurde im zertrümmerten Taxi allein tot aufgefunden und seine Leiche in das Kühlhaus gebracht. Das staatliche Taxiunternehmen wurde von der Polizei in seiner Behauptung bestärkt, dass nicht der Taxifahrer den Unfall verursacht und danach das Weite gesucht hat, sondern dass der Deutsche den Fahrer bedroht, das Taxi geklaut und allein mit der chinesischen Freundin weggefahren ist. Sie sei mit leichten Verletzungen davongekommen und könne die Behauptung des Taxiunternehmens bestätigen.«
    Er macht eine Pause, trinkt einen Schluck Wein und sagt, dass er alles Weitere von einem zuverlässigen Freund erfahren

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