Madame Zhou und der Fahrradfriseur
hat ein Chinese eine »Nudelmaschine« an sein Fahrrad gehängt und dreht wie bei einer kleinen Wäschemangel den Teig durch zwei Walzen. Neben ihm tritt ein alter Mann unermüdlich die gelben Pedalen eines der vor der Fahrradreparaturwerkstatt aufgestellten blaugestrichenen Fitnessgeräte. Zwei beschlipste Männer heben dort ein Moped an, damit zwei Arbeiter das Hinterrad ausbauen und den Reifen flicken können. Ein Straßenkehrer kurvt mit seinem Besen um die Haufen von Blechdosen, leeren Farbeimern, Stiegen und Matratzen, die vor den Hütten liegen.
Als ich die Dorfstraße wieder zurückgehe, laufe ich schneller, grüße auch nicht mehr mit einem Kopfnicken und bleibe, weil es dort – im Gegensatz zum ranzigen Frittieröl – sehr würzig nach Gebratenem riecht, vor einem einstöckigen Haus stehen. An ihm hängt wie an den meisten, selbst an den schon einfallenden Hütten ein rotes, für mich unverständlich beschriftetes Stofftransparent. Aber unter diesem steht auch ein Schild mit Bildern von gebratenen Enten, Fleischröllchen, Möhren, Garnelen, Pilzen, gekochten Eiern und Schalen mit Reis und den dazugehörigen Preisen von jeweils 3 bis 5 Yuan. Der Nudelmann bringt einen Karton mit frischen Teigwaren in das »Restaurant«. Ich öffne ihm den Türvorhang, er sagt lachend »Thank you« und lädt mich, nachdem er seinen Karton den zwei Köchinnen übergeben hat, zum Essen in das kleine stickige Zimmer ein. Er geht mit mir noch einmal zur Eingangstür, wo eine große Plasteschüssel mit nicht mehr sauberem Wasser steht. Sehr gründlich wäscht er sich die Hände, und ich mache es ihm – mich an die afrikanischeWeisheit »Auch schmutziges Wasser wäscht den Schmutz« erinnernd – nach.
Auf dem Hof des Müllsammlers
Weil schon an allen wackligen Plastetischen Gäste sitzen – ich sehe außer Männern nur zwei Frauen mit Kindern –, schlägt der Nudelmacher vor, dass ich mit ihm in der Kochecke esse. Doch ich nehme an, dass Klaus bald von der Polizei zurück ist. Da ich ihm nichts von meiner Dorferkundung gesagt habe, könnte er beunruhigt sein, und lehne freundlich ab. Der Nudelmacher wickelt mir drei Handvoll Nudeln in Zeitungspapier und sagt lachend »Bai bai«.
Am Ende der Dorfstraße parken vor einem zweistöckigen Haus, dessen Fensterscheiben mit bunten Tier- und Blumenbildern beklebt sind, 6 PKW hintereinander. Ein klein gewachsener Chinese kommt mit einem »Langnasenkind« an der Hand aus dem Gebäude, öffnet dem vielleicht 5-jährigen Jungen den hinteren Wagenschlag eines Mercedes und fährt, weil schon eine Frau in einem kleinen blauen Peugeot auf seine Parklücke wartet, sehr schnell davon. Aus dem Peugeot klettert ein Mädchen, rennt blindlings zur Haustür, und die Mutter schreit ihr hinterher: »Madeleine, lauf bitte langsam!«
Auf einer Tafel am Haus steht in Englisch und Deutsch, dass sich hier ein Kindergarten befindet. Ich warte, bis die schwarzhaarige junge Frau wieder herauskommt.
Die Rheinländerin Marion Sawade erzählt mir, dass Madeleine noch in Köln geboren ist. Sie leben seit zwei Jahren in Peking. Der Vater von Madeleine ist Franzose und arbeitet in Peking als Autohändler. Sie berät chinesische Unternehmer in der Werbung. Um den Platz für diesen Kindergarten bezahlen zu können, müssen sie beide verdienen. »Er kostet uns im Monat fast 7000 Yuan, also 700 Euro.«
Ich frage, ob ich die Zahl richtig verstanden habe. Sie nickt. Früher haben vor allem Deutsche, später auch Engländer, Franzosen und Russen ihre Kinder hergebracht, inzwischen aber auch Chinesen.
Die Nudelmaschiene
Hinter dem Kindergarten beginnt ein quadratisch angelegtes Labyrinth enger Gassen, die rechts und links von hohen Mauern begrenzt sind. Dass sich niedrige Häuschen dahinter befinden, ist nur an den Türen in den Mauern auszumachen. Diese alten oder inzwischen neu gebauten Wohnviertel würden mit ihren abstandslos aneinandergereihten Häuschen und den engen Gassen der ursprünglichen Bauweise in Peking entsprechen. Sie würden Hutongs genannt, erklärt mir die Werbemanagerin. »Die Bewohner dieser Hutongs teilen sich inzwischen oft den Hof, die Toiletten, die Wasserstelle, den Kochherd, den Schuppen.«
Ich frage die Rheinländerin, ob sie schon einmal in einem der Hutong-Häuschen neben dem Kindergarten gewesen ist.
»Nein, das interessiert mich nicht. Außerdem lassen Chinesen keine Ausländer in ihre Wohnung. Die bleibt bei ihnen streng privat.«
Als eine alte Frau aus einer Tür
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