Madame Zhou und der Fahrradfriseur
hat.
»Danach verlangte das Taxiunternehmen von der deutschen Familie, dass sie das schrottreife Taxi und Schmerzensgeld für die Chinesin bezahlt. Die Leiche würde so lange im Pekinger Kühlhaus bleiben, bis das Geld in Peking wäre. Alle Einsprüche der Eltern blieben erfolglos. Die chinesische Polizei hatte nach dem Unfall weder eventuell vorhandene Blutspuren des Taxifahrers im Auto sichergestellt, noch Zeugen des Unfalls gesucht. Nach 4 Wochen befand sich die Leiche immer noch in Peking. Da tauchten Polizeifotos der Leiche auf. In Deutschland stellte man im Kriminologischen Institut anhand der Verletzung der Wirbelsäule fest – was auch in China möglich gewesen wäre –, dass der Tote nicht gefahrensein konnte, sondern auf dem Rücksitz gesessen hat. Als das Taxiunternehmen nach 5 Wochen begriff, dass es kein Geld herausschlagen konnte, wurde die Leiche freigegeben.«
Nur selten könnte ein Einzelner (noch seltener ein Ausländer) sein individuelles Recht – ein in China von Staats wegen verpönter Begriff – erfolgreich einklagen. »Und dann hätte die Leiche, um gegen Recht, Gesetz und gegen die Pietät Geld zu erpressen, als tote Geisel noch sehr lange im Pekinger Kühlhaus gelegen.«
Wahrscheinlich mag Klaus diese Geiselgeschichte nicht, denn er meint, dass es Zeit ist, zu gehen. Ich trinke als Absacker einen Wodka. Er, die Ermahnung seiner Frau beherzigend, einen Weinbrand. Die »MAD DOG« sitzen beim Bier und planen die Tour für den nächsten Sonntag. Frank verteilt die letzten Thüringer Bratwürste, und der Erzähler der Unfallgeschichte schwärmt nun wieder vom »Gelbfieber«.
SPICKZETTEL (3)
Beining C., Berufswunsch: Architektin oder Produktdesignerin
Die Stadt, in der ich später wohnen möchte, sollte einerseits interessant und lebhaft sein, und andererseits möchte ich dort viele Freunde kennenlernen. Hongkong zum Beispiel wäre spannend, weil es westliche und östliche Kultur miteinander vereint.
Ein guter Tag ist für mich, wenn ich mich mit etwas Sinnvollem beschäftigt habe, das heißt, dass ich etwas für die Gesellschaft oder einfach für mich persönlich erreicht habe. Ein schlechter Tag hingegen vergeht orientierungslos, zum Beispiel wenn ich mit viel Mühe etwas Sinnloses gemacht habe.
Ich kann mir nichts Konkretes wünschen, aber ich weiß, dass mir im Leben viele Höhen und Tiefen begegnen werden. Und ich möchte, dass ich später mit gutem Gewissen sagen kann: Ich
habe meinen Mitmenschen Liebe gegeben und von ihnen auch Liebe bekommen.
China sollte sich so entwickeln, dass ich in Zukunft immer stolz darauf sein kann, dass ich eine Chinesin bin. Es darf keine Kriege geben, und die Entwicklung soll nicht schlagartig, sondern kontinuierlich verlaufen.
Weil ich chinesische Wurzeln habe, fühle ich mich in China auch wie zu Hause, denn meine Verwandten leben hier. Das Essen ist vielfältiger als in Deutschland, und man kann jeden Tag die Fortschritte in Infrastruktur, Kommunikationsmitteln, Hygiene und so weiter beobachten!
Natürlich werde ich einen Chinesen heiraten, weil ich es einfach gewohnt bin, chinesisch zu denken. Ich bin davon geprägt und würde es auch bevorzugen, meine Gefühle auf Chinesisch auszudrücken und ein chinesisches Leben zu führen.
Die »Mörderkinder«
ODER:
Liu xia lai de shi lu di xia de hui jin – Geblieben ist nur die Asche unter den Öfen
In dieser Nacht fällt das Bett nicht zusammen, aber am Morgen erschrecke ich zuerst über einen schussähnlichen Knall im Erdgeschoss und danach über das schrille Kreischen der Halloween-Hexe. Eine tönerne chinesische Maske ist von der Wand gestürzt und hat die amerikanische Hexe erschüttert. Die Maske hat den Sturz ohne Schaden überstanden. Aber weil an einer der Dachreiterfiguren – »wegen der Schussligkeit der Ayi«, wie Monika schimpft – schon ein Stück Lasur fehlt, werden wir heute in der Töpferei, in der man Figuren und Masken in traditioneller Weise formt und lasiert, den beschädigten Dachreiter durch einen neuen ersetzen.
Der Wochenendausflug beginnt wie die Fahrt zur Arbeit damit, dass die Heizung im Auto angestellt wird und Anna Loos behauptet »Alles ist Rot«. Aber wir müssen uns weder an den Ampeln vorbei durch den Stau des dritten Ringes kämpfen, noch an der Mautstelle warten. Wir fahren aus Peking hinaus. Meine beiden Gastgeber staunen. In den zwei Monaten, die sie hier nicht vorbeigekommen sind, haben die Wanderarbeiter in einem rasanten Tempo eine neue U-Bahn-Strecke
Weitere Kostenlose Bücher