Madame Zhou und der Fahrradfriseur
Stelle der Schlauch undicht ist, und lacht, als Bläschen heraussprudeln, triumphierend und laut, als hätte er eine Ölquelle entdeckt. Und an einer niedrigen Mauer beugen alte Männer ihren Kopf so weit zu den Füßen hinunter, dass mir schon vom Zuschauen die Wirbelsäule schmerzt. Und Frauen stechen mit bändergeschmückten stumpfen Schwertern rhythmisch in die Luft. Und Männer hängen Käfige mit singenden Vögeln in die Bäume oder spazieren hin und her und schwingen dabei die Käfige so heftig, dass die darin hockenden Vögel das Gefühl haben zu fliegen. Dazwischen kehren Männer in Gruppenformation das Laub zusammen und vertreiben besenschwingend und entrüstet schreiend ein sich in aller Öffentlichkeit küssendes junges Paar. Und als ich in die Park-Toilette gehe, spritzen Frauen dort den Boden ab und bedeuten mir, dass ich trotzdem pinkeln kann. Und spritzen weiter, bis ich sohlentief in einer Wasserpfütze stehe. Und Männer, selten Frauen, quälen die Muskeln und Gelenke ihrer Arme, Hände, Beine und Füße, indem sie an Fitnessgeräten (die, wie Klaus sagte, zur Vorbereitung der Olympischen Spiele zu Tausenden in Peking aufgestellt wurden) Gewichte stemmen, Kurbeln drehen oder anStangen hangeln. Und auf einem der weniger bevölkerten Wege sagt mir eine grell geschminkte junge Frau auf Englisch und ohne dabei stehenzubleiben, dass sie mir für 10 Euro Love gibt. Als ich unsicher den Kopf schüttele, läuft sie einen Bogen, kommt mir zwei Minuten später wieder entgegen und verlangt nur noch 8 Euro. Und sehr alte Männer sitzen auf großen, runden Steinen, murmeln in ihren Bart und drehen Kugeln in den Händen. Und auf einem freien Platz haben drei weißbekittelte Männer Friseurläden aufgebaut. Ihre Fahrräder lehnen an dicken Bäumen. Auf der Lenkstange ist ein großer Spiegel angebracht, am Fahrradrahmen baumeln Scheren, Rasierpinsel, Messer, Kämme, Schärfleder, und auf einem Anhänger stehen Näpfe mit Wasser und die Batterie, mit der die Haarschneidemaschine angetrieben wird. Einer der Friseure winkt und zeigt mir, dass meine Haare sehr lang sind.
Ein Laden für Zierfische
Nachdem ich eine halbe Stunde ungläubig staunend durch die mir unbekannte Welt gelaufen bin, schubst mich ein rückwärtsgehender, nach dem Zusammenprall schimpfender Mann wieder in die Realität. Ich hole meine Kamera aus dem Rucksack, um Fahrradfriseure, baumumarmende Männer und mit den Füßen Federball spielende Frauen zu fotografieren. Zwischen einem Pulk von vielleicht hundert Männern sitzen 10 Spieler, die Holzsteine, wie ich sie schon im Kinderdorf gesehen habe, hin und her schieben. Als die jeden Zug sehr heftig kommentierenden Zuschauer merken, dass ich das Objektiv auf sie gerichtet habe, kommen zwei und zeigen, dass ich hier nicht fotografieren soll. Der eine steckt seinen nicht sehr dicken Bauch bis zu einem beachtlichen Umfang heraus und beklopft ihn dann wie den Bauch eines Buddhas. Wahrscheinlich will er mir damit sagen, dass ich nicht die Menschen im Park, sondern, wie es sich für Touristen gehört, Buddhas und Tempel fotografieren soll.
Als ich den Fotoapparat eingesteckt habe, klopft mir ein Mann mit strohblonden (!) kurzgeschnittenen Haaren, der eine tarnfarbene Militärjacke trägt, auf die Schulter und fragt, woher ich komme. Nach meiner Antwort will er wissen, ob aus West- oder Ostgermany und sagt dann lachend: »Otlitschno! Germanskaja Demokratitscheskaja Respublika.«
Wir setzen uns abseits der spielenden, singenden und turnenden Chinesen auf eine Bank, und er holt, nein, keinen Wodka, sondern einen Apfel aus der Tasche, bricht ihn auseinander und gibt mir eine Hälfte. Igor Kusnezow stammt aus einem kleinen sibirischen Dorf an der Eisenbahnstrecke von Moskau nach Peking. Er wohnte mit seiner Frau Ljuba und seiner Tochter Irina im Bahnhofsgebäude. Seine Frau stellte die Weichen, und er begleitete erst kleine Züge und später auch die großen, die bis nach China fuhren.
»Vor 15 Jahren musste ich mit meiner damals 5-jährigen Tochter aus Russland weggehen und wohne seitdem in Peking.«
Im Park
Auf meine Frage, weshalb er sein sibirisches Dorf verlassen musste, antwortet er nicht und sagt nur: »Hier lebe ich, der immer noch ein Mitglied der Kommunistischen Partei der Sowjetunion ist, zufriedener als zu Hause. In Russland steht kaum noch ein Denkmal von Wladimir Iljitsch Lenin. Hier dagegen, wo die Kommunistische Partei das Land regiert, ehrt man den Genossen Mao Zedong mit Fotos,
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