Madame Zhou und der Fahrradfriseur
McDonald’s, als Vertreter des Hua’an-Fleischbetriebes einen Vertrag über die Lieferung von Fleisch für die Burger abschließen würde.«
Doch das gehört schon zu seiner Arbeit nach der Zeitenwende.
»Zuvor wollte Armeegeneral Heinz Keßler China noch einmal offiziell besuchen. Es wurden jede Menge Geschenke eingeflogen: eine Suhler Doppelbockflinte, 10 Meter Plauener Spitze, Pakete mit Dorschleber, Schnaps, Säbel, 8 Pistolen und viele geschnitzte Nussknacker aus dem Erzgebirge. Keßler sagte seinen Besuch ab, doch die Geschenke blieben hier. Und als der neue DDR-Verteidigungsminister Eppelmann …« Steffen Schindler bestellt ein neues Bier. Trinkt und erzählt dann lachend, dass er im Mai 1990 zusammen mit den anderen Militärattachés zu einem Treffen beim neuen Verteidigungsminister Eppelmann nach Berlin gerufen worden war.
»So viel salutiert hatte ich in meinem Leben noch nie. Der ehemalige Wehrdienstverweigerer der DDR konnte gar nicht genug davon bekommen. Immer wieder ›Achtung!‹, und wir salutierten.«
Schindler entschuldigt sich für die Zwischenbemerkung und erzählt weiter, was geschah, nachdem Eppelmann einen Monat vor der Wiedervereinigung per Fernschreiber befahl, dass der Militärattaché Schindler die Botschaft zu verlassen habe.
»Aber die Geschenke waren noch da. Also haben wir die Dorschleber aufgegessen, die Nussknacker verschenkte ich an Botschaftsmitarbeiter. Den Schnaps ließ ich beim arabischen Militärattaché Mustafa Karatja. Er ist Moslem, und ich dachte, bei ihm wird sich der Alkohol am längsten halten. Das Problem waren die Säbel und Pistolen, die wollte man in Berlin zurückhaben. Der Interflug-Chef half und brachte sie durch den Piloteneingang zur Interflug-Maschine, die ein Armeepilot flog. Die Plauener Spitze habe ich an chinesische Offiziere in Pekingverteilt. Und meinem Freund, dem Stellvertretenden Generalstabschef der Chinesischen Volksbefreiungsarmee, überreichte ich zum Abschied die prunkvolle Doppelbockflinte aus Suhl.«
Damals dachte der 42-Jährige, dass es ein Abschied für immer ist. Doch als er erfuhr, dass die Hua’an Fleisch GmbH, ein deutsch-chinesisches Joint Venture, für die Geschäftsleitung in Peking einen Assistenten suchte, bereitete er seine Rückkehr vor.
Noch bevor Deutschland vereinigt war, fuhr der Oberst a. D., der Genosse Steffen Schindler, in den Stammbetrieb von Hua’an nach Nordfriesland. »Hätte ich als 16-Jähriger nicht Pferdezüchter werden wollen, sondern mich wie der Gysi schon damals mit Rindviechern beschäftigt, wäre mir die Lehrzeit im schleswig-holsteinischen Niebüll leichter gefallen. Ich musste die Jungbullen von der Weide holen, Schweine schlachten und zerlegen und das Schlachthaus ausspritzen. Damals bin ich kaum aus den mistigen Gummistiefeln rausgekommen.«
Im Februar 1991 kehrte er nach China zurück, begrüßte zuerst die staunenden alten Freunde der Chinesischen Volksarmee und begann dann, für Hua’an zu arbeiten.
Die Geschichten, die er aus der Zeit des Anfangs erzählt, sind schon oft veröffentlicht worden.
»Soll ich’s kurz machen?«, fragt er. Ich nicke.
»Als ich bei Hua’an in Dachang anfing, lagen 200 Tonnen Rindfleisch auf Lager. Das Fleisch hatte einer für die Asien-Spiele bestellt, aber, weil das Zeug furztrocken war, nicht abgenommen. Ein Verlust von knapp 200 000 Euro für die Firma. Da habe ich meine Leute von der Volksarmee angerufen und ihnen gesagt, dass ich, um von dem chinesischen Chef als deutscher Manager anerkannt zu werden, das furztrockene Fleisch irgendwie loswerden muss. Sie sagten: ›Wir kommen.‹ Ich lud sie zum Essen ein. Sie tranken sehr viel, und irgendwann befahl ihr Chef aus dem Verteidigungsministerium:›Die erste militärische Konservenfabrik Qinghuangdou kauft die 200 Tonnen.‹ Da war ich fein raus und in der Firma danach der Größte.«
In der zweiten Geschichte spielt die Armee keine Rolle, sondern nur die Erfindungsgabe eines an die Mauer gewöhnten Ostdeutschen.
»Der Fleischbetrieb befand sich südlich von Peking in einem autonomen muslimischen Gebiet in Dachang. Dort hätten wir keine Schweine verarbeiten dürfen, mussten die Rinder schächten und sie beim Töten mit dem Kopf nach Mekka ausrichten. Schächten und Mekka waren möglich, aber ohne Schweinefleisch Wurst zu machen, das ging nicht. Also wurde der Verarbeitungsbetrieb für die Schweine durch eine chinesische Mauer, also besser eine muslimische Mauer, vom übrigen Betrieb getrennt. Und die
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