Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition)
lehnte sie sich auf dem Sofa zurück, faltete die Hände im Schoß und erklärte, der Rest sei ganz einfach. Meine Gedanken würden als Sprechblasen auf dem kleinen Bildschirm erscheinen. Wenn ich Senden drückte, würden sie in den Club Nino übertragen (womit der Großbildschirm an der Wand gemeint war). Falls ich nicht wollte, dass die Leute sie lesen konnten, musste ich auf Löschen drücken.
Probier es aus! , sagte sie mit einladendem Lächeln.
Das ist total dämlich , dachte ich und grinste, als der Satz auf meinem Minicomputer aufleuchtete. Ich drückte auf Senden . Als ich zur Wand hochschaute, sah ich meine Nachricht tatsächlich ganz unten am Rand des Großbildschirms dümpeln. Ich hatte allerdings keinen Körper, also schienen die Worte in der Luft zu schweben.
Ich fragte mich, wieso ich unsichtbar war. Clare war auf dem Bildschirm zu erkennen, ebenso Pat und Noah, die bereits von einer Horde Frauen umlagert wurden. Anscheinend spürte die virtuelle Empfangsdame meine Verwirrung, denn sie erschien wieder und erklärte in beruhigendem Tonfall, dass ich erst noch mein Bild hinzufügen müsse. Dazu sollte ich mir vorstellen, wie ich aussah, und schon würde mein Körper im Club Nino auftauchen.
Ich schaute mir die tanzende Menge an. Einige Leute hatten sich entschieden, nackt zu erscheinen, allerdings waren gewisse Körperstellen nur verschwommen zu sehen. Sämtliche Männer waren sportlich und muskulös (oder bildeten sich das jedenfalls ein). Die meisten Gäste hatten Kleidung hinzugefügt und ich kam mir vor wie auf einer Modenschau. Auf dem ganzen Bildschirm entdeckte ich niemanden, der übergewichtig oder unattraktiv aussah. Alle Frauen waren geschminkt, hatten schimmernde Haut und glitzernde Highlights in den Haaren, die entweder zu komplizierten Frisuren aus Locken und Zöpfen aufgesteckt waren oder seidenglatt über den Rücken fielen. Einem platinblonden Girlie reichte die Haarmähne bis zu den Fußknöcheln und fegte fast über den Boden. Ich fragte mich, ob sie sich beim Tanzen nicht darin verhedderte. Sogar ein Teil der Männer hatte sich für Glitzersträhnen entschieden. Mit anderen Worten: lahm .
Alle waren nach dem neuesten Trend gekleidet, was bedeutete, dass die Männer schimmernde Kunststoffhosen trugen und die Frauen sich in Metallic Jeans und hautenge neonfarbene Tops geschmissen hatten. Ich hatte noch nie so viele perfekte Menschen auf einem Haufen gesehen. Andererseits hob sich dadurch auch niemand von der Menge ab. Sie verschmolzen zu einer gesichtslosen Masse wie die Models in einem Werbekatalog. Selbst Clare trug Glitzerschminke, die ich vorher bestimmt nicht an ihr bemerkt hatte, und ihr Kleid war nicht länger schwarz sondern neonpink. Außerdem war sie zehn Zentimeter größer als sonst.
Was ist so schlimm daran, einfach nur man selbst zu sein? , dachte ich, löschte den Satz aber, denn ich kannte die Antwort bereits. Unser wahres Ich kam uns langweilig vor, weil es so normal und fehlerhaft war. Wir alle wünschten uns Superkräfte und eine Hollywood-Ausstrahlung, die sämtliche Blicke auf sich zog. Wir wollten einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Und die Technologie erlaubte uns, diese Fantasien auszuleben. Sie machte uns zu Architekten unserer selbst. Ich beschloss, dass ich mich hier zu Tode langweilen würde, wenn ich nicht für einen kleinen Schockeffekt sorgte, um die Atmosphäre zu beleben.
Also schloss ich die Augen und stellte mir vor, wie ich morgens gleich nach dem Aufstehen aussah. Ungeschminkt, mit Trainingshose und löcherigem T-Shirt. Das Bild erschien auf meinem Minibildschirm. Mein virtuelles Ich hatte einen müden Blick und wirre, ungekämmte Haare. Perfekt. Kichernd fügte ich noch Puschen mit Leopardenmuster hinzu. Dann drückte ich auf Senden . Mein Körper wurde auf den Wandschirm teleportiert, wo ich mich nun in Riesengröße sah, als sei ich ein Filmstar.
Netter Look, Maddie. Pass bloß auf, dass du nicht eitel wirst , sagte Noah, kam auf mich zu und stellte sich neben mich. Sein Kommentar schwebte in einer Sprechblase zwischen uns.
Plötzlich gesellte sich ein Fremder dazu.
Ich wusste gar nicht, dass Trainingshosen die neueste Mode sind , sagte er und grinste.
Er war ein bisschen kleiner als ich, hatte braune Haare und eine Brille. Gekleidet war er in ein graues Kragenhemd und eine schwarze Stoffhose. Immerhin kein Kunststoff.
Genau, Jeans sind sooo out , dachte ich.
Er lächelte mich an. Wollen wir tanzen?
Ich schaute stirnrunzelnd auf
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