Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition)
heranrollender Wellen. Ihr Grün war so samtig, dass man es am liebsten streicheln wollte. Inmitten der Hügel lag ein kristallklarer blauer See, dessen stilles Wasser den Himmel und die Landschaft spiegelte. Weit und breit waren keine Menschen oder Gebäude zu sehen, nur Wildnis und Sonnenschein. Die klassische Musik schien tief aus dem Boden und hoch aus dem Himmel zu strömen. Der Wind und die Bäume bewegten sich zum Rhythmus der Klänge.
»Ein Paradies«, sagte ich wie in Trance. Ich dachte nicht mehr daran, den Raum zu verlassen. Meine Füße schienen über dem Boden zu schweben. Das Gefühl war magisch, als könnte ich mit dem weißen Vogelschwarm davonfliegen, der über mir dahin zog. »Dieser Ort ist wunderschön. Gibt es das alles wirklich?«
Vaughn schlenderte im Kreis um mich herum. Er lächelte auf das Tal hinab und nickte. »Natürlich gibt es das wirklich. Es ist mein Lieblingsprogramm«, sagte er. »Unsere Wirklichkeit sieht aus, wie immer wir wollen. Das ist der Vorteil von Technologie. Sie schenkt uns perfekte Schönheit.«
Ich betrachtete ihn abschätzend … Und perfekte Macht , hätte ich am liebsten gesagt. Ich durchquerte den Raum und setzte mich auf den Klappstuhl. Vaughn folgte mir und die Wandschirme erloschen. Unwillkürlich streckte ich die Hand aus, um die Bilder zurückzuholen. Ich hätte mich für immer in diesem Tal und diesen sonnenwarmen Hügeln verlieren können. Aber die Landschaft verwandelte sich in fahle, fleischfarbene Wände. Vaughn stellte sich vor mich und legte mir eine Hand auf die Schulter. Mein Körper versteifte sich bei seiner Berührung.
»Wenn ich in der Stadt bin, treffe ich mich gerne persönlich mit ein paar ausgewählten Patienten«, sagte er. »Ich bin zwar der Manager des gesamten Centernetzwerks, aber früher war ich selbst einmal Psychologe.«
Ich schüttelte möglichst höflich seine Hand von meiner Schulter. Ihm vorzuspielen, dass ich eingeschüchtert kuschte, hatte wenig Sinn.
»Ja, ich weiß«, sagte ich. »Sie haben sich an der University of California auf das Fachgebiet Neurophysiologie spezialisiert und wurden für eine Studie ausgezeichnet, in der es um Heilkräuter mit halluzinogener Wirkung ging. Danach haben Sie an der Heilung von Gedächtnisverlusten gearbeitet und Alzheimerpatienten mit Schocktherapien behandelt. Die von Ihnen entwickelten Medikamente haben Millionen eingebracht, sodass Sie genug Geld hatten, um die Digital School zu finanzieren.« Ich zitierte Informationen, die Molly über ihn ausgegraben hatte – und die ich von meinem Centerzimmer aus niemals hätte finden können.
Er neigte den Kopf zur Seite. »Das stimmt«, sagte er sichtlich beeindruckt. »Ich habe mein Leben dem Studium des menschlichen Gehirns gewidmet. Der Natur ist es gelungen, einen perfekten Computer hervorzubringen, eine wunderbare Maschine …«
»Das nennt man ein Organ«, murmelte ich, weil ich mich gegen die Bezeichnung »Maschine« wehrte. Ich wünschte, Justin wäre hier gewesen. Er hätte seine Freude daran gehabt, über dieses Thema zu diskutieren.
Vaughn zog ein Kabel aus der Tasche, das an demselben MindReader befestigt war, den Dr. Stevenson immer benutzt hatte. Gehorsam schob ich ihn auf meine Stirn und fühlte das bekannte Prickeln in meinem Kopf. Ich hatte keine Angst, denn ich wusste, dass jeder Versuch, Erinnerungen in mein Bewusstsein zu laden, blockiert werden würde.
»Dr. Stevenson hat mir berichtet, dass du nicht kooperierst und dich gegen die Behandlung sträubst.«
»Was?«, fragte ich ungläubig. Seine Anschuldigung ließ mir die Kinnlade herunterfallen. Ich hatte genau das Gleiche durchgemacht wie alle anderen Teenager im Center. Ich hatte genauso viele Albträume gehabt. Ich hatte mich vor nichts gedrückt. Der einzige Unterschied war, dass ich nicht kampflos aufgab.
»Du benimmst dich, als seiest du immun gegen unsere Therapie«, sagte er. »Was sehr selten vorkommt.« Er zeigte auf den Wandschirm, wo ein Bild meines Gehirns mit allen seinen Furchen und zusammengeballten Nervensträngen auftauchte. Dieselbe Abbildung hatte ich bei meiner ersten Therapiesitzung gesehen. Genau wie damals war der blaue und rote Bereich alles andere als ausgeglichen.
Positiv: 3%
Negativ: 97%
Ich konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Während meiner Zeit im Center war es mir gelungen, sogar noch rebellischer zu werden. Während ich auf das Bild starrte, wurde mir plötzlich klar, was diese Zahlen tatsächlich bedeuteten. Die Grafik war nur
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