Maddrax - Folge 334: Die Beute des Archivars
reagierten. Dann zog er das dünne, aber feste Stahlseil aus der Winde, die vorn im Bauchbereich mit der stählernen Skelettkonstruktion verschweißt war. Fünf Meter Seil standen ihm zur Verfügung, das musste genügen. Er hakte es an einer Strebe der Shuttlerampe fest.
Unter ihm im halb zerstörten Turm lag verkrümmt der Telepath. Staub bedeckte seinen Körper. Er hustete, hob aber kaum den Kopf dabei. Noch war Leben in ihm.
Mit einem knappen Blick schätzte der Archivar die Entfernung zu dem Hominiden ab – vier Meter höchstens. Und dann er wagte es: Er sprang von der Rampe auf den Turm hinüber. Die Servomotoren summten laut, als sie um sein Gleichgewicht kämpften. Das Seil spulte sich ab.
Ein Triumphgefühl überkam ihn: geschafft! Nun hinab zu dem Telepathen, bevor sein Jäger oder Rulfans Meute heran waren …
Sie hetzten durch den Wald. Etwa dreihundert Meter trennten sie noch von der Kapellenruine. Rulfan hatte Mühe, mit seinem Sohn Schritt zu halten. Die anderen zehn – bewaffnete Wachen vor allem – hatten sie längst abgehängt. Rulfan trug ein Lasergewehr in der Rechten, Juefaan war unbewaffnet.
Wann immer die Lücken zwischen den Fichtenwipfeln über ihnen groß genug waren, konnten sie das Shuttle sehen. Es schwebte dicht beim Turm. Hatte Aruula sich in der alten Kapelle versteckt?
Krachender Lärm hallte plötzlich durch den Wald – als würde irgendwo ein Steinschlag zu Tal donnern. Und dort, wo die Lichtung begann, stieg eine Staubwolke in die Höhe.
Das Shuttle war mit dem Glockenturm kollidiert! Das Gemäuer stürzte in sich zusammen! Eiskalt lief es Rulfan den Rücken hinunter. Wenn sich Aruula in der Kapelle aufhielt, womöglich sogar im Turm …
Auf einmal stieß Juefaan einen gequälten Ruf aus, stürzte und blieb liegen. Rulfan, ohnehin schon zu Tode erschreckt, warf sich neben ihm auf die Knie. „Was ist denn, Junge? Was ist passiert?“
Acht Burgwächter und zwei Retrologen hetzten heran, an der Spitze der alte Basti. „Schnell!“ Rulfan winkte sie vorbei. „Zur Kapelle! Ich fürchte, Aruula hat darin Deckung gesucht!“ Die anderen hasteten vorüber. Einige waren mit Armbrüsten bewaffnet, einige mit Lasergewehren. Basti hielt einen Eigenbau in der Faust – damit konnte er starke elektrische Entladungen verschießen.
Rulfan beugte sich über seinen Sohn. „Was ist mit dir, Juefaan?“ Der Junge zitterte, presste die Fäuste gegen die Ohren. Rulfan drehte ihn auf den Rücken – sein Gesichtsausdruck war der eines tief verstörten Menschen.
„Ein Todesschrei“, flüsterte Juefaan.
„Wo?“ Rulfan verstand nicht wirklich, wovon sein Sohn da sprach. „Ich habe nichts gehört.“
„Es … es war in meinem Kopf.“
Rulfans Augen wurden schmal. „Ein Schrei in deinem Kopf ?“ Juefaan nickte. Der Albino spähte nachdenklich durch die Stämme hindurch zur Ruine. Der Staub drang bereits in den Wald ein. Was sollte er anfangen mit den Worten seines Sohnes? Die mögliche Antwort erschütterte ihn.
„Komm, wir gehen weiter.“ Rulfan half ihm auf die Beine. Ihm war elend zumute. Wenn Juefaan tatsächlich einen Schrei in seinem Kopf gehört hatte – bedeutete das nicht, dass er ihn auf telepathischem Weg empfangen haben musste?
Juefaan war von einer Telepathin geboren worden, und auch wenn die Männer von den Dreizehn Inseln sonst keine mentalen Fähigkeiten besaßen, könnte es sich bei ihm nicht ein latentes Erbe handeln? Vor allem, wenn es sich tatsächlich um einen Todesschrei gehandelt hatte.
Sie rannten weiter. Arme Aruula! Sie würden zu spät kommen, Rulfan spürte es in allen Knochen.
Dann endlich konnten sie hinter den Bäumen und all dem Staub den Rand der Lichtung erkennen und sogar schon das Gemäuer der alten Kapelle. Hundert Meter trennten sie noch von der Ruine. Rulfan lief schneller und kam vor seinem Sohn auf der Lichtung an.
Holzbalken, Ziegel und Gesteinstrümmer übersäten den Boden vor dem Turm, und wohin Rulfan auch blickte: Überall waren Gras und Buschwerk mit Staub bedeckt. Er blieb stehen und legte den Kopf in den Nacken. Vom Turm standen gerade einmal noch anderthalb Außenmauern. Teile des Daches hingen in den ehemaligen Glockenstuhl herunter. Wo war das Shuttle?
Seite an Seite liefen Juefaan und er an der Fassade der Kapelle entlang. An ihrer Vorderseite angelangt, sahen sie das Raumfahrzeug über die Baumwipfel hinweg nach Osten gleiten. Das Fauchen der Triebwerke schwoll gerade erst an. Rulfan ballte in ohnmächtiger Wut
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