Mademoiselle singt den Blues - mein Leben
Krisenzeit. Manche versuchen, das auszudrücken oder etwas dagegen zu tun.
Zu dieser jungen Garde romantischer, engagierter Sänger gehört auch Pascal Obispo. Er bringt frischen Wind in das französische Chanson. Und er bringt auch die jungen Mädchen zum Weinen, gilt als der in diesem Moment angesagteste Texter und Komponist. Das Showbusiness reiÃt sich um seine Lieder. Mit gutem Grund: Alles, was er schreibt, wird im Radio gesendet und gefällt den Hörern. Pascal Obispo und ich haben zwei Schnittpunkte: die Restos du CÅur und unsere Plattenfirma. Es ist also praktisch unausweichlich, dass wir uns begegnen und über eine Zusammenarbeit nachdenken.
Für die Restos du CÅur singen wir »LâAigle noir«  â Der schwarze Adler  â, einen Titel von Barbara. Die eher melancholischen
Songwriter schwelgen darin, genau wie ich. Sie nutzen mich wie eine Violine, über die sie mit ihren Bögen streichen. Das Duett mit Pascal Obispo hat starken Eindruck gemacht, und wir finden Gefallen daran, dieses Lied gemeinsam zu singen.
Er ist bereit, Titel für mich zu schreiben, aber nur unter einer inoffiziellen Bedingung: Er will die Kontrolle behalten, die Leitung. Also Songwriter und zugleich Produzent sein. Er ist dünnhäutig, er muss sich als alleiniger Kapitän fühlen dürfen, um gut zu sein. Sein Antrieb ist der Stolz, und wenn er Erfolg hat, möchte er ihn nicht teilen. Voller Leidenschaft stürzt er sich auf die Arbeit an meiner Platte, Le mot de passe  â Passwort / Losung. Pascal versucht, eine meiner Stimme entsprechende Weite mit einem intimeren Text zusammenzubringen. Nachdem meine bisherigen Alben eher in Richtung Chanson und Blues gingen, kann ich mich nun mit Obispos Streicherbegleitung an einem eher der Popmusik verwandten Klang versuchen. Das ist neu für mich. Neu ist jedoch nicht, dass ich mit derart fester Hand dirigiert werde. Pascal, dessen Leichtigkeit und Genie mich verblüffen, erträgt keine Anmerkungen, seien sie nun positiv oder kritisch. Er fürchtet, er könne durch die Kommentare einer oder eines anderen den roten Faden seines eigenen Werks verlieren. Ob es daran liegt, dass er auch ein talentierter Interpret ist? Ich weià es nicht.
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Die mühsamen Aufnahmen machen mir zu schaffen. Ich habe Schwierigkeiten mit Pascals Haltung, mit seinen autoritären Seiten. Ich finde ihn zwar rührend und spannend, aber es ist nicht leicht, in seiner Welt zu kommunizieren. Ich habe es akzeptiert, dass er unumschränkter Herr über dieses Album ist, aber ich finde es schade, dass er ihm so sehr seinen Stempel
aufdrückt. Le mot de passe ist hervorragend, aber vielleicht doch zu sehr von Pascal Obispo geprägt. Er hat niemanden in seine Welt hineingelassen, nur einen Einzigen, den er als seinen Lehrer betrachtet, Jean-Jacques Goldman. »Fille de lâEst«  â Mädchen aus dem Osten  â, das Lied, das er in seinen Worten für mich geschrieben hat, ist mitreiÃend und warm, und es ist wichtig. Es festigt das künstlerische Einverständnis zwischen uns. »Fille de lâEst« handelt von dem, was ich am besten kenne, von meiner Region, ihrer Geschichte und den mutigen Menschen dieser Gegend. Dieses Lied macht meinen starken, stolzen Charakter verständlicher. Durch die Musik kehre ich zu meinen Wurzeln zurück. »Fille de lâEst« ist meine Zuflucht, mein Strand, der mir vertraute Ort. In der gespannten Atmosphäre der Aufnahmen finde ich Jean-Jacques Goldmans Nüchternheit und seine Vertrautheit mit mir tröstlich. Das Lied wird in meiner Heimatregion zu einer Art Erkennungszeichen für mich. Eine weitere schöne Ãberraschung des Albums ist »Ma liberté contre la tienne«  â Meine Freiheit gegen deine. Dieses Lied, das mich besonders berührt, findet Anklang bei den Radio-Programmgestaltern ⦠Das habe ich schon lange nicht mehr erlebt.
Obispo gibt meinen Konzerten eine neue Dimension. Ich singe mit einem Streichquartett, mit ganzen philharmonischen Orchestern. Es ist beeindruckend, wenn man von so vielen Musikern begleitet wird, die von einem anderen musikalischen Planeten kommen. Dank ihm lerne ich, meine Stimme subtiler einzusetzen.
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Heute Nachmittag ist es das Orchestre Philharmonique de Lille, das mich unter der Leitung von Jean-Claude Casadesus vor sechzigtausend Menschen im Jardin du Luxembourg
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