Mademoiselle singt den Blues - mein Leben
dafür, dass ich so schwach war: eine dumme, klammernde Liebende. Ich verachte auch die Männer. Ich finde sie dämlich, arrogant, opportunistisch und feige. Allerdings fange ich deshalb nicht an, die Frauen zu lieben. Männer finde ich ebenso vorhersehbar wie infantil. Besitzergreifend, egoistisch und oft überheblich. Ich muss sie vergessen, die Männer, wie ich auch Paris vergessen muss. Bei Cyril und Richard ist es etwas anderes, sie sind zuallererst Freunde und für mich erst in zweiter Linie Männer. AuÃerdem sind sie beide verheiratet und leben mit
ihrer jeweiligen Frau zusammen, die ich im Ãbrigen beide sehr schätze. Ich glaube, es beruht auf Gegenseitigkeit. Und ich muss auch sagen, dass ich mir Mühe gebe, nicht zu sehr in ihr Eheleben einzugreifen. Ich tauche nie unverhofft auf, halte meine Einladungen zum Abendessen und meine Anrufe in Grenzen und überlasse ihnen die Initiative. Ich verhalte mich diskret. Ich kann mir vorstellen, wie schwer es ist, einen Mann zu lieben, der sein Leben vorrangig einer anderen Frau widmet. Ich nehme ja so schon zu viel Raum ein. Daher achte ich sehr auf diskrete Distanz. Ich gehe spazieren, genieÃe den See und den Ausblick aus meiner Wohnung auf die Bäume. Ich atme, ich schöpfe Luft.
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Doch mit der Zeit bekomme ich wieder Lust auf Gänsehaut. Ich habe wieder gelernt zu lächeln, es geht mir besser. Die reine Luft der Schweiz wirkt Wunder bei der Genesung. Für mich, die ich ständig auf der StraÃe, in Flugzeugen und Hotels bin, ist es ein unerhörter Luxus, nichts zu tun, zu Hause zu sein und im eigenen Bett zu schlafen. Gestern noch hatte ich keinen Blick mehr für die Kerle, doch jetzt sehe ich sie wieder.
Der, den ich hinten an einem Tisch erspäht habe, mit dem See als Hintergrund, ist mehr als einen Blick wert. Es ist ein sehr, sehr schöner Mann. Die ideale Mischung aus George Clooney und Richard Gere! Kurzum, er ist von der Art, die reihenweise Frauenherzen bricht. Ich sitze da, rede mit einer Freundin, und plötzlich kommt mir eine Frage in den Sinn. Was würde zum Beispiel ein Mann in dieser Situation machen? Meiner Ansicht nach ist die Antwort: Er versucht zu erkennen, was sie trinkt, und schickt den Kellner mit einem weiteren Glas davon zu ihr. Genau das mache ich nun auch. Es geht mir nicht um eine feministische Provokation, es ist ein
ehrliches Bedürfnis. Doch die Bedienung lacht und erwidert: »Zu spät! Er geht gerade!« Ich will schon aufgeben. Beim ersten Hindernis. Meine Freundin ist da etwas hartnäckiger, sie steht auf und geht zu ihm. Ich befürchte das Schlimmste, doch einige Augenblicke darauf kommt sie mit seiner Visitenkarte zurück.
Zwei Tage später schicke ich ihm eine SMS. Und dann verabreden wir uns zum Abendessen. Als ich im Restaurant ankomme, finde ich ihn immer noch sehr attraktiv, aber sein Look ist ein bisschen altmodisch. Die Hose ist zu kurz, und die Jacke  â nun ja. Wir reden miteinander, und es ist sehr angenehm. Nach einer Weile begreife ich, dass er keine Ahnung hat, wer ich bin. Er sieht eine Frau vor sich. Die ihm offensichtlich gefällt. Er zeigt Interesse und fragt mich, warum ich so oft nach Paris reise. Um zu singen, antworte ich.
»Ach? Machst du etwa Schallplatten?«
»Ja«, gestehe ich.
»Unter welchem Namen?«
»Unter meinem: Patricia Kaas.«
Er sieht mich verdutzt an. Er kennt diesen Namen aus dem Radio und ist wie vor den Kopf gestoÃen. Er kann es nicht glauben und ergeht sich in Entschuldigungen. Er findet sich absolut unmöglich, weil er mich nicht erkannt hat, fürchtet, er habe mich verstimmt, und sagt immer wieder: »Pardon, es tut mir so leid, was bin ich doch für ein Hornochse!«
Ich sage ihm, wie schön es ist, nur als Frau wahrgenommen zu werden, nur nach dem beurteilt zu werden, was man ist, und nicht nach dem Namen oder nach dem, was man macht.
Er ist Ingenieur. Er wirkt cool, hat keine schwierigen Beziehungen zum Geld oder zu seinem Ego. Ich brauche mich nicht um Dinge zu sorgen, die, wie ich jetzt weiÃ, absolut hinderlich
sein können. Ich habe einen schönen Abend verbracht und wüsste nicht, warum ihm nicht weitere folgen sollten. Wir beginnen eine Beziehung, die sich durch ihr Gleichgewicht angenehm von der letzten Beziehung unterscheidet. Endlich fühle ich mich gut dabei. Das Zusammensein mit ihm ist erholsam, beruhigend.
Von nun lässt er seine Jacken
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