Mademoiselle singt den Blues - mein Leben

und dann legen wir alles zusammen und sprechen darüber. Und ich habe Fred Helbert gebeten, nach Saint-Rémy zu kommen und mir zu helfen, meine Ideen
musikalisch umzusetzen. Er richtet sich in der Werkstatt hinten im Garten, die wir speziell dafür umgebaut haben, ein Studio ein, das er kaum noch verlässt. Mehrmals am Tag störe ich ihn mit Anweisungen, die keine sind.
    Ich habe weder ein Konservatorium besucht noch Musikunterricht genommen. Also breite ich meine Gefühlslage vor ihm aus, gebe Beispiele und zeige ihm Bildmaterial, das mich inspiriert. Was ich an Fred so schätze, ist, dass er ohne Worte kommunizieren kann. Er hat so feine Antennen für mich, dass er aus meinen obskuren Sätzen meine Intentionen herausliest. Wenn er mir seine Arrangements vorspielt, erkenne ich klar, dass er mich vollständig erfasst hat. Schritt für Schritt, Weg um Weg zwischen Hütte und Haus kreieren wir unsere Show.
    Für die Klassiker aus meinem Repertoire finden wir neue, mehr zur akustischen oder aber mehr zur elektronischen Musik hin ausgerichtete Formen, die sie ihrem eigentlichen Inhalt und Klang näherbringen. Als wären all diese Jahre nötig gewesen, um den idealen Weg reifen zu lassen, die richtige musikalische Fassung für ihre Interpretation zu finden. All diese Zeit, um sie in das am besten geeignete Klanggewand zu gießen. »Entrer dans la lumière«  – Ins Licht treten  – und »Je voudrais la connaître«  – Ich möchte sie kennenlernen  – sind persönlicher denn je. Die Wege, die Fred und ich mit ihnen beschreiten, bleiben gewagt. Kabaret entsteht aus festen Überzeugungen und radikalen Entscheidungen. Schon, dass ich zum ersten Mal beschlossen habe, die Richtung vorzugeben. Gleich zu Beginn habe ich Cyril und Richard erklärt, ich allein wolle über die Show bestimmen, genau wie über das Album, ohne dass sie, wie sonst, zum Künstlerischen Stellung beziehen dürften. Und dann habe ich entschieden, dass die Musik die anderen an der Show beteiligten Künste dirigieren
soll. Die Videos, der moderne Tanz und die Literatur mischen sich unter den Klang der Songs.
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    Vor allem der zeitgenössische Tanz in Kabaret entspricht meiner Inszenierungsabsicht und meinem Wunsch, eine Fülle von Empfindungen und besonderen Erlebnissen zu bieten. Wir baten Régis Obadia, dem Tanguy und ich in Moskau begegnet waren und der ein anerkannter Choreograf ist, etwas für uns zu kreieren. Er war es auch, der uns die herausragende Tänzerin Stéphanie Pignon empfahl. Sie sind Größen im zeitgenössischen Tanz, und sie haben mir geholfen, meinen Perfektionsdrang auszuleben. Ich arbeite verbissen, um meine Show tanzen zu können. Ich nehme viele Stunden Unterricht. Ich habe meinen Körper immer gern trainiert, um ihn und meine Muskeln zu formen. Ich versuche, mein Durchhaltevermögen immer noch ein wenig zu steigern. Nach einer gewissen Zeit tun mir die Muskeln weh, es zieht in den Waden und Schenkeln, ich spüre nichts mehr von meinen Füßen und dem schmerzenden Nacken. Ich tanze liebend gern. Und ich perfektioniere auch meine Fähigkeit, mir Tanz und Gesang richtig einzuteilen. Ich muss sicher sein, dass ich nicht außer Atem gerate, nicht langsamer werde. Ich trainiere, lerne die Technik und studiere natürlich die Choreografien ein. Hier ein Beispiel dafür, wie tanzversessen ich bin: Ich tanze mit den Mädchen vom Crazy Horse für die Fernsehsendung zugunsten der Europäischen Vereinigung gegen Leukodystrophie ELA, deren Schirmherr Zinedine Zidane ist.
    Wir sind viele im Abspann der Show Kabaret . Neben Tanz, Musik und Videos sind da beispielsweise noch die von Alber Elbaz entworfenen Kostüme und das Bühnenbild von Christophe Martin, der auch für Bob Wilson als Bühnenbildner
arbeitet. Ich bin stolz auf diese Show, sie ist schön. Außerdem empfinde ich zum ersten Mal echte Modernität, eine vielfältige Verknüpfung mit meiner Epoche. Meine Bezugnahmen auf die Dreißigerjahre entfalten in dieser Krisenzeit ihre volle Bedeutung. Die Weltgeschichte gerät ins Stottern, und es kommt zu den gleichen atmosphärischen Veränderungen. Diese beiden Epochen sind sich sehr nah. Aber ich mache mir keine Illusionen. Mir ist bewusst, dass die Eintrittskarte für die Show Geld kostet, das in schweren Zeiten anderweitig fehlt. Umso mehr freut es mich, dass ich