Mademoiselle singt den Blues - mein Leben
ich sie, weil es meine Art ist. Das muss ich ab jetzt vermeiden. Ich muss darauf achten, mich nicht in mein Haus einzuschlieÃen. Darauf achten, Menschen und Gefühle nicht auszuschlieÃen.
Ich gebe zu, das Schicksal Marlene Dietrichs verfolgt mich, mehr noch als das der Sagan ⦠Unsere Ãhnlichkeit, auf die im Verlauf meiner Karriere immer wieder hingewiesen wurde, fällt je nach meinem jeweiligen Stil mehr oder weniger auf. Deutsche, frühbegabte und anerkannte Sängerin mit bewegtem Liebesleben  â das Lili-Marleen-Image haftet mir schon seit Langem an.
Einmal, 1994, war sogar die Rede davon, dass ich sie verkörpern sollte. Ich war bei Probeaufnahmen, und der Regisseur, der Amerikaner Stanley Donen, hatte beschlossen, mir die Rolle zu geben. Bei den Takes musste ich drei verschiedene Szenen spielen. Die erste war die, in der sich Marlene bei Josef von Sternberg als Kandidatin für Der blaue Engel vorstellt. Da musste ich so zickig sein, wie es diese Diva im wahren Leben sein konnte. In der zweiten Szene war ich in der Lage der verheirateten Marlene, die ihren Mann dabei ertappt, wie er eine ihrer Mätressen abknutscht. Da musste ich völlig gelassen auf die junge Frau zugehen und sie mitten auf den Mund küssen. Gar nicht so einfach. Aber ich habe es getan! Die letzte und wahrscheinlich einfachste war die, in der ich »Lili Marleen« singen musste. Der Film wurde leider nie gedreht, Stanley konnte nicht genug Geldgeber finden.
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Es tut mir leid. Aber ich weiÃ, dass man manchmal die Vergleiche unterbinden muss, bevor man ihnen unterliegt. Ich habe zwar Gemeinsamkeiten mit Marlene Dietrich, aber ich bin auch sehr verschieden von ihr. Ich habe eine Stimme und eine Geschichte, ich weiÃ, was ich bin, ich weià jedoch nicht, wem ich gleiche. Im Grunde jedenfalls nicht ihr. Sie hat zu viele negative Seiten, Schuhe, die ich mir nicht anziehen möchte. Ein schreckliches Temperament, kühle Distanz, fanatischen Egoismus, Arroganz und Hochmut. Trotzdem wird sie zu meiner Ikone.
Mit zunehmender Reife entdecke ich immer mehr schöne Seiten an mir, doch für die Leute verändere ich mich. Sie sehen nicht mehr dasselbe, das vertraute Gesicht. Dieser Bruch, auch auf musikalischer Ebene, kostet mich einige Fans, die meine Entwicklung, meine Richtungswechsel nicht verstehen. Mein Mund hat sich nicht verändert, ich mag ihn immer noch nicht, ich spanne ihn zu sehr an. Ich versuche, mein kräftiges Kinn und die vorspringenden Lippen zu kaschieren. Vor den Fotografen, die mich anflehen, den Mund zu entspannen, nehme ich Posen ein. Ich schminke ihn weniger stark. Und alle sagen: »Patricia ist schön, aber sie sieht nicht mehr so aus wie früher.« Sie brauchen Fixpunkte, möchten mich bei jedem neuen Album zwar nicht als ganz dieselbe, aber auch nicht als eine völlig andere wiedersehen. Nicht ich soll mich ändern, sondern das Bühnenbild, die Umgebung. Diese Veränderungen wiederum verändern durch kleine Spiegelungen Kleidungsstücke, Accessoires und Frisurdetails. Die ganze Schwierigkeit des Künstlertums liegt in diesem Paradox: sich weiterentwickeln, ohne sich zu entfernen, sich verändern, indem man sich fixiert.
Meine Image-Wandlungen entsprechen den Zeitläuften
und meinem jeweiligen Verhalten. Ich lege keinen besonderen Wert darauf, up to date zu sein, der Stellenwert der Mode ist mir einigermaÃen klar. Charles Aznavour, der wirklich das Talent hat, Ratschläge zu geben, sagte mir einmal: »Solange man nicht modisch ist, kann man nie altmodisch werden.« Dieser Freund, der etwas von Frauen versteht, empfiehlt mir distinguierte Einfachheit. Und ich meinerseits sage immer, dass ich niemandem gleichen will, sondern mich von allen inspirieren lassen möchte.
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Genau wie die Schauspieler verbringe ich meine Zeit damit, eine andere zu sein. Ich bedaure nichts an meiner Vergangenheit. Nur meine Jugend oder eher das Fehlen meiner Jugend. Das Ausgehen mit Freundinnen, die ersten Zigaretten, scheinbar müÃiges Schwatzen, das aber lebenswichtig ist, die gemeinsamen Traumvorstellungen, die Unsicherheiten⦠All das habe ich nie gekannt, ich stand auf der Bühne. Es ist, als ob ich, weil ich in meiner Jugend nicht die MuÃe hatte, mich auszuprobieren, jetzt damit anfinge ⦠Meine Freundinnen änderten mit fünfzehn ständig ihren Kleidungsstil: Gerade noch waren sie Punks, dann edelschick,
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