Madita
denken... Soll ich dir mal
zeigen, was ich gekauft hab? Aber schwör mir, daß du es nicht weitersagst!«
Das verspricht Madita. Da öffnet Abbe behutsam die Tür zur Kleiderkammer. Dort steht eine funkelnagelneue Petroleumlampe mit einer weißen Glocke, die sieht teuer und fein aus.
»Das ist was anderes als die schäbige, kleine Funzel, die wir jetzt haben, was?« fragt Abbe.
»Ist das ein Weihnachtsgeschenk?« fragt Madita.
»Tja, jedenfalls kriegen meine Alten sie, und dann können sie sie von mir aus Weihnachtsgeschenk nennen oder sonstwie«, sagt Abbe. »Sie war sündhaft teuer, aber ich hab mir jeden einzigen roten Heller selber zusammenverdient.«
Ein wenig nachdenklich geht Madita heim. Die Petroleum-
lampe und die Wichtelmännchen mit den Bärten sind ja ganz hübsch, und doch hat sie gerade dadurch Sehnsucht nach
Birkenlund bekommen. Bei Abbe kann man nicht richtig glauben, daß morgen Weihnachten ist, und das macht sie traurig.
Als sie und Lisabet schon im Bett liegen, spricht sie mit ihr darüber.
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»Stell dir bloß vor, wenn wir morgen aufwachten und es wäre gar nicht Heiligabend, sondern zum Beispiel nur Freitag!«
»Dann geh ich ins Wasser«, sagt Lisabet, denn das sagt Alva immer, und Lisabet schnappt schnell etwas auf.
Aber Lisabet braucht nicht ins Wasser zu gehen. Als sie aufwachen, ist es wirklich Heiligabend. Da liegt die Dunkelheit noch schwarz vor den Fenstern, aber in der Tür des Kinderzimmers steht Papa mit brennenden Kerzen, und sie hören
Mama unten auf dem Klavier spielen. »Jetzt ist Weihnachten kommen« spielt sie.
»Ja, jetzt ist Weihnachten gekommen«, sagt Papa. »Fröhliche Weihnachten, ihr kleinen Goldspatzen!«
»Fröhliche Weihnachten, Papa!« rufen Madita und Lisabet.
Und dann flitzen sie aus den Betten und die Treppe hinunter, hinein ins Wohnzimmer. Dort steht der Tannenbaum mit brennenden Kerzen und ist noch viel schöner, als sie ihn sich vorgestellt haben; das Holzfeuer brennt im Kachelofen, und es duftet so herrlich nach Tanne und Holzfeuer und Hyazinthen.
Wahr und wahrhaftig, es ist Weihnachten.
Erst stehen sie ganz stumm da, dann kommt Leben in sie, und sie tollen ganz schwindlig vor Weihnachtsfreude durchs Zimmer, sie hüpfen und tanzen und singen, und Sasso bellt dazu.
Wahr und wahrhaftig, es ist Weihnachten!
Und dann kommt Alva mit dem Weihnachtskaffee, und alle
zusammen sitzen am Feuer und trinken Kaffee, Mama und
Papa und Alva und Madita und Lisabet. Für Madita und Lisabet ist es etwas ganz Besonderes, im bloßen Nachthemd vor dem Feuer zu sitzen und Kaffee zu trinken.
»Weil Weihnachten ist, darum«, sagt Lisabet.
»Ja, weil Weihnachten ist«, sagt Mama.
Madita schaut Mama ein wenig besorgt an, um zu sehen, ob
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sie auch nicht müde ist. Aber wie gut, Mama ist ganz fröhlich und kein bißchen müde. Alle müssen fröhlich sein, alle müssen Weihnachten schön finden, denn sonst kann Madita nicht
rundherum glücklich sein. Und darum hat sie, als sich Mama mit den Weihnachtsvorbereitungen so sehr abplagte, auch
immer wieder gebettelt:
»Aber Heiligabend darfst du nicht müde sein. Versprichst du mir das, Mama?«
»Aber wie werde ich denn am Heiligabend müde sein!« hat
Mama gesagt.
Und hier sitzt sie nun mit Papa und Alva, und alle drei scheinen sich ebenso sehr über Weihnachten zu freuen wie Madita und Lisabet.
Oh, wie ist das schön! Bald wird es draußen hell. Die Spatzen sind erwacht und sitzen schon in den Weihnachtsgarben und picken Körner aus den Ähren. Madita und Lisabet schauen
ihnen durch das Eßzimmerfenster zu.
»Verstehen die Spatzen denn, daß Weihnachten ist, Papa?«
fragt Lisabet.
»Vielleicht nicht«, sagt Papa. »Aber was eine Weihnachts-
garbe ist, das verstehen sie schon.«
»Aber ich, ich verstehe alles... alles«, sagt Lisabet.
Und doch gibt es eine Sache, die weder Lisabet noch Madita verstehen. Wie kommt es, daß Heiligabend doppelt so lang ist wie andere Tage? Wer hat sich das ausgedacht? Mama tut,
was sie kann, damit die langen Stunden ein bißchen schneller vergehen. Zuerst schickt sie Madita und Lisabet mit dem übli-chen Weihnachtskorb zu Linus-lda. Linus-lda muß etwas von dem Weihnachtsschinken und der Sülze und den Schweinerippchen abbekommen, sie muß auch etwas von der Wurst
und der Leberpastete, dem Brot und dem Kuchen, sie muß
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Kaffee, Äpfel und Kerzen haben. Mama packt alles zusammen in den roten Spankorb, und dann stapfen Madita und Lisabet in die Winterkälte
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