Madita
leuchtend klar die Sterne.
Madita und Lisabet fassen sich an und laufen den schmalen Pfad zum Fluß hinunter. Ringsum ist es ganz still, aber irgendwo weit in der Ferne erklingt leises Schellengeläut, ja, ja, das ist der Weihnachtsmann! Und da stehen sie in Schnee und Dunkelheit auf dem Bootssteg und hören das Geläut immer
näher kommen; da erschauern sie vor lauter Aufregung und
drängen sich an Mama.
Oh, schon sehen sie hinten an der Flußbiegung einen Fackel-schein. Er flackert und huscht über den Schnee, und da tauchen das Pferd und der Schlitten auf, ja, ja, da kommt der Weihnachtsmann! Mit weißem Bart und roter Mütze sitzt er im Schlitten, und das Pferd trabt rasch bis an den Steg heran.
»Prr!« ruft der Weihnachtsmann und hält genau vor Madita
und Lisabet. Die beiden stehen dort ganz stumm vor Span-
nung, keinen Piep wagen sie zu sagen. Sie starren den Weihnachtsmann nur mit großen, runden Augen an. Und auch sein Pferd. Es ist ziemlich klein und häßlich und sieht fast genauso aus wie Konke auf Apelkullen. Merkwürdig, daß es zwei gleich 144
gelbe und gleich häßliche Pferde auf der Welt gibt... nur daß Konke nicht so ein schwarzes Büschel auf der Stirn hat.
»Sind hier artige Kinder?« fragt der Weihnachtsmann, und
seine Stimme klingt so gutmütig, fast so wie die von Tore auf Apelkullen.
»Ob hier artige Kinder sind? Ja, das will ich meinen«, sagt Papa. »Madita und Lisabet, das sind zwei richtige, artige kleine Goldspatzen!«
»Aha, soso, na dann«, sagt der Weihnachtsmann und reicht
einen großen Sack aus dem Schlitten. »Also dann fröhliche Weihnachten«, sagt er. Es hört sich beinah so an, als wäre er ein bißchen schüchtern.
»Fröhliche Weihnachten!« rufen Madita und Lisabet und Papa und Mama und Alva.
»Ja, wie gesagt, fröhliche Weihnachten«, wiederholt der
Weihnachtsmann. Dann schnalzt er seinem häßlichen Pferd-
chen, wendet den Schlitten und fährt seines Weges in Richtung auf Apelkullen zu, woher er gekommen ist.
Sie bleiben auf dem Steg stehen, solange sie noch sein Schellengeläut hören können. Dann packen Papa und Alva den
Sack und tragen ihn ins Haus.
Heiligabend ist ein langer Tag, aber einmal nimmt er doch ein Ende, so lang er auch ist. Die Kerzen brennen herunter, alle haben ihre Geschenke bekommen, alle haben ihre Nüsse
geknackt, alle haben Äpfel und Sahnebonbons gegessen, und keiner bringt es mehr fertig, um den Weihnachtsbaum zu
tanzen. Da schlägt Madita plötzlich die Hände vors Gesicht und schluchzt herzzerreißend.
»Oh, Mama, jetzt ist es vorbei, oh, es ist schon zu Ende!«
Aber als sie dann im Bett liegt und all ihre Weihnachtsge-145
schenke neben sich aufgestapelt hat, da freut sie sich schon wieder auf den neuen Tag, wo sie ihre Weihnachtsbücher
lesen und ihre Weihnachtsskier ausprobieren und mit ihrer Weihnachtspuppe spielen kann, die ein Matrosenkleidchen
anhat und Katja heißt.
Lisabet hat auch eine Puppe bekommen, einen Matrosenjun-
gen, den sie Abbe getauft hat, und sie hat Abbe mit ins Bett genommen.
»Ja, mein kleiner Abbe, du bist ein guter Junge«, sagt sie und fährt ihm über seinen Schöpf. Ein Weilchen liegt sie still da und grübelt, und dann sagt sie versonnen:
»Zwar bin ich Hausbesitzer und Grundeigentümer obendrein, darum hat Abbe nichts zu Weihnachten gekriegt. Aber nächstes Jahr«, sagt Lisabet und fährt Abbe wieder über seinen Schöpf, »nächstes Jahr kriegst du apselut einen ganzen Sack voll. Falls ich dann bei Kasse bin!«
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Joseph Im Brunnen
Bald ist der Winter vorbei, bald kommt der Frühling. Madita und Lisabet helfen nach, damit es ein bißchen schneller geht.
Dort, wo die Sonne hinscheint, ist der Schnee schon wegge-taut, aber an der Nordseite von Birkenlund liegen noch immer ein paar Schneewehen. Madita und Lisabet mögen sie nicht
mehr sehen. Sie gehen ihnen mit ihren Schaufeln zu Leibe und schmelzen dann den Schnee in der Wassertonne an der Kü-
chenecke. Aber da kommt der Frühling auch schon mit Macht.
Überall unter den Birken schauen die behaarten kleinen Knos-pen der Leberblümchen hervor, und jeden Morgen knien sich Madita und Lisabet dort hin, um nachzusehen, ob sie auch
tüchtig wachsen. In die Nistkästen, die Papa rings um Birkenlund an den Bäumen aufgehängt hat, sind schon die Stare
eingezogen, und morgens erwachen Madita und Lisabet bei
Vogelgezwitscher. Der Fluß ist gestiegen und braust jetzt über den Steg. Madita und Lisabet dürfen nun nicht mehr
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