Madonna, ein Blonder!
heißen Sommertags die mannshohen hölzernen Fensterläden geschlossen sind. Oder wohl gerade deshalb. Ein Polizist wendet sich von seinem Computer ab, schaut mich kurz an, ohne dass man es mustern nennen könnte, nickt und dreht sich wieder zum PC , dabei beiläufig murmelnd » Appe -sters-e«.
Was?
» Appe-sters-e?«
Jetzt deutet er, noch immer den Blick auf den Bildschirm gerichtet, mit dem Zeigefinger nach oben. » Appe-sters-e«, wiederholt er. Jetzt verstehe ich, soll wohl upstairs heißen.
» Scusi«, frage ich, » was soll ich denn oben?«
» Cazzo«, murmelt der Polizist, dreht sich vom Computer weg, drückt sich mit den Händen an den Armlehnen des Schreibtischstuhls nach oben, schafft es sogar, sich ganz zu erheben, und lehnt sich schließlich über den Tresen zu mir: » Figlio mio«, sagt er so ruhig wie bestimmt. » Mein Sohn, du bist blond, siehst aus wie ein Engel, ich weiß, was dir passiert ist. Du wurdest beklaut. Diebstahlanzeigen sind oben. Appe-sters-e.«
Mit einem ultimativen » Prego!«, das nun gar nichts Höfliches mehr hat, bedeutet er mir, endlich abzuhauen.
» Appe-sters-e« ist es ebenso dunkel wie unten, auch hier sind sämtliche Fensterläden zugeklappt, das Wartezimmer liegt in funzligem Neonlicht. Die Stimmung der Wartenden ist ähnlich düster: Die einen sind mies gelaunt, weil sie den Kurzurlaub in Rom in einem verdunkelten Polizeirevier verbringen müssen; die anderen in Panik, weil in so und so vielen Stunden oder Tagen der Heimflug geht und alle Dokumente sich natürlich im geklauten Rucksack oder Geldbeutel befinden. Man unterhält sich darüber, wie herrlich Rom eigentlich sei oder sein könnte oder wie sehr man sich hinsichtlich der Stadt doch getäuscht habe. Ich vertreibe mir die Zeit damit, meine Scheck- und Kreditkarten sperren zu lassen. Es gibt ja nichts Schöneres!
Irgendwann geht die Tür auf, ein weinerliches Urlauberpärchen verlässt das Büro, begleitet von einem lauten » Bye-bye« mit italienischem Akzent.
Endlich, ich bin dran.
» Buon giorno!« Ich schließe die Tür und setze mich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch, der Polizist dreht sich um.
Der Mann sieht großartig aus: ein Kopf so breit wie ein Aktenordner, dazu fast schulterlange braune Locken– recht cool für einen Polizisten. In der Mitte des massigen Kopfes prangt ein gekräuselter Schnurrbart. Seine Kleidung ist der Hitze des Tages angepasst, das marineblaue Kurzarmhemd gibt den Blick auf einen tätowierten Anker auf dem Unterarm frei. Ein prima Typ, aber kann dieser Mann meinen Geldbeutel zurückerobern? Ich lasse mich resigniert in den Stuhl fallen. » Allora, figliolo, what is the problem?« Warum reden die mich alle mit » mein Sohn« und auf Englisch an? Bei einer jungen hübschen Touristin hätte er wohl längst vesprochen: » Isch werde alles-e dafur-e tun-e, Ihre Sachen-e zu finden-e.«
» Man hat mir den Geldbeutel geklaut«, erkläre ich seufzend auf Italienisch.
Der Polizist schaut mich an, sagt triumphierend: » Wollit?«, und dreht sich zum Computer. Aha, er meint wohl wallet, Portemonnaie.
» Neischon-e?«
Wie?
» Neischon-e«, wiederholt er– nazione.
Aha.
Ich antworte knapp: » Germania.«
Er nickt triumphierend: » Tedeschk« , und tippt in das Feld, in dem nach nazionalità gefragt wird , tedesco ein.
Erfreut nehm ich zur Kennnis, dass er jetzt mit mir italienisch redet. Größtenteils zumindest. Denn immer wieder streut er englisch klingende Wörter ein.
» Allora, biondino, in welcher Situaischon-e ist das passiert?«
Situ… was?
» Der Ablauf des Diebstahls– Situaischon-e.« Er grinst zufrieden. Erst » Neischon-e«, jetzt » Situaischon-e«: Er fühlt sich offenbar supergut dabei, italienische Wörter englisch zu verballhornen oder umgekehrt. Vor allem Endungen mit » -zione« haben es ihm angetan. Bei ihm wird es daraus zwar kein » -ation«, sondern ein » -aischon«, aber für sein Gefühl scheint es tierisch englisch zu klingen!
Ich erzähle also von der » Situaischon-e«, bis der Polizist irgendwann im Tippen innehält:
» Warte, erzähl noch mal…«
Er duzt mich. Das soll man sich auf einem deutschen Polizeirevier vorstellen.
Ich nutze die Gelegenheit und duze zurück: » Was willst du denn noch wissen?«
Zuckt er jetzt zusammen? Kriege ich ein Bußgeld? Nein. Er sagt nur: » Du, sag noch mal…«
Das Duzen scheint System zu haben hierzulande. Hat mich vorhin schon im Bus verblüfft. » Entschuldige mal«, sagte da die goldlockige Frau
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