Madonna, ein Blonder!
als zwei U-Bahn-Linien, doch in der Zwischenzeit sind bestimmt zig weitere gebaut worden.
Also schlage ich zuversichtlich den aktuellen Reiseführer auf. Und was sehe ich: Immer noch nur zwei U-Bahn-Linien.
Wie bitte?
Zwei U-Bahnen für 3,3 Millionen Einwohner?
Und wenn ich das richtig sehe, vermeiden beide es tunlichst, ins historische Zentrum zu fahren. Das nenne ich eine originelle Streckenführung. Ich schlage den Reiseführer auf und blättere zum Minikapitel » Öffentliche Verkehrsmittel« und lese da: » U-Bahnen sind ein seltenes Gut in Rom. Der Grund ist die reiche Vergangenheit der Stadt: Gräbt man im Centro Storico einen Meter tief, finden die Archäologen wertvolle Zeugnisse der Vergangenheit, und alle Bauarbeiten werden gestoppt. Der Mangel an U-Bahn-Linien wird durch ein umfangreiches Busnetz ausgeglichen.«
Also mache ich mich auf den Weg zur Bushaltestelle.
Nichts zu sehen.
Kein Bus, nicht ein einziger.
Von nirgendwo her und nach nirgendwo hin.
Auch Minuten später noch immer nichts.
» Passano«, sagt eine Frau leichthin, die mit mir wartet, » die Busse kommen vorbei, wann sie wollen. Fahrpläne gibt es nicht.« Ich nicke langsam und kehre in Gedanken zurück in den Münchner Stadtteil, in dem ich groß geworden bin. Wenn da früher ein Bus eine Minute früher oder später die Haltestelle anfuhr, schüttelten die Wartenden den Kopf, zeigten demonstrativ auf die Uhr und seufzten beim Einsteigen schwer.
Hier gibt es nicht einmal einen Fahrplan.
Je mehr Zeit vergeht, desto mehr schwindet mein Glauben an die Busse in Rom, bis sich plötzlich etwas am Horizont bewegt. Und noch etwas. Und noch etwas.
Drei Busse, Stoßstange an Stoßstange, fahren unsere Haltestelle an.
Ich steige im letzten bei der hintersten Tür ein. Ein Mann kommt mir hastig entgegen und drängt sich eilig aus dem Bus. Hat wohl vergessen, dass er aussteigen wollte, denke ich mir. Der Bus fährt an, ich drängle mich zum Fahrkartenautomaten, taste nach meinem Geldbeutel, doch der ist weg. Einfach weg!
Ich greife in Panik dreimal in jede Tasche, versuche mir einzureden, ich hätte ihn bestimmt im » Papagallo« liegen lassen, verwerfe das und rede es mir gleich noch einmal ein. Aber es bleibt dabei: Der Geldbeutel ist futsch!
» Eeeh!«, macht eine goldlockige Signora, die mich bei meinen Suchaktionen beobachtet. » È brutto, però Roma è cosi.« Es sei zwar bitter, aber so sei Rom nun mal. Sie hat auch gleich eine Theorie zur Hand, wer mich beklaut hat: der Typ, der sich an mir vorbei nach draußen gedrängelt hat. Meine Frage, ob ich den Geldbeutel wohl wiederbekommen würde, etwa durch die Polizei, veranlasst die Frau zu belustigtem Gelächter. » Du kannst es probieren«, meint sie und lacht erneut los.
Eine gute Viertelstunde später an meinem– wohlgemerkt!– zweiten Tag in Rom stehe ich vor dem Polizeirevier an der Piazza del Collegio Romano, nahe der Piazza Venezia. Tausende Touristen schieben sich Eis essend und fröhlich durch die Gassen, Tausende Römer liegen am Meer. Nur ich…, na toll.
Immerhin ist mir das Handy nicht geklaut worden. Als ich draufschaue, ist eine SMS meiner alten Freundin Uli angekommen. » Na, alles in Ordnung? Ich beneide dich total. Denk daran: Allem Anfang wohnt ein Zauber inne.«
Ich muss lachen.
Hallo, Zauber! Hallo, ich bin da! Und es ist ein Anfang für mich! Du kannst rauskommen! Mürrisch tippe ich ins Handy meine Antwort: » Hi Uli, leider bin ich gerade beklaut worden… nichts Amadeo sagen, der sagt dann nur: Ich hab’s doch gewusst.«
Dann habe ich eine Idee. Ich stelle mir im Handy-Kalender eine Erinnerung ein. Sie lautet: » Bist du glücklich in Rom?« Heute in sechs Monaten, am 26. November soll mich mein Handy das fragen. Und wenn ich dann » Nein« sage und nur zurückschaue auf Diebstahl und Desaster, dann gehe ich wieder nach München. Dann hat Rom mich nicht verdient.
Oder sollte ich gleich zurückfahren?
Um zumindest die Hoffnung nicht sterben zu lassen, betrete ich das Polizeirevier. Ich erwarte mir nicht viel, überhaupt nicht, höchstens ein Sondereinsatzkommando. Das ist alles.
Ich höre ein » Prego!«, das allerdings nicht wie » Bitte schön« klingt, sondern eher unverschämt wie das » Grazie!« des kanarienvogelgelben Taxifahrers gestern. Es klingt eher nach: » Komm sofort rein und sag, was du willst, sonst gibt es massiven Ärger.«
Dann mach ich das mal lieber. Gehorsam betrete ich das erste Zimmer rechts, in dem trotz des herrlichen,
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