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Madonna, ein Blonder!

Madonna, ein Blonder!

Titel: Madonna, ein Blonder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Zöller
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telefonierten, meinte Massimo, ich solle ihm einen squillo machen, sobald ich auf dem Parkplatz des Krankenhauses stünde.
    Einen was?
    » Einen squillo. Ruf meine Nummer an, lass es einmal klingeln und leg gleich wieder auf!«
    Einen squillo, aha.
    Den habe ich inzwischen dreimal gemacht: Angerufen, klingeln lassen, aufgelegt. Dreimal squilli, zumindest aus meiner Sicht, ohne dass der Krankenpfleger erschienen wäre.
    Jetzt klingelt mein Handy. Seine Nummer. Ich gehe ran. » Pronto?«
    Seine Stimme klingt genervt. » Warum gehst du denn ran?«
    » Du hast mich angerufen.«
    Er schnauft, läuft offenbar gerade zügig eine Treppe hinunter. » Ich wollte nicht telefonieren. Das war ein squillo. «
    Ich höre ihn noch » Cazzo!« sagen, dann legt er auf.
    Einen Moment später tritt ein Mann durch die Glastür auf den Parkplatz, reicht mir die Hand: » Ciao, Massimo!«, und zündet sich eine Zigarette an. Man kann ihn gleich als Krankenpfleger erkennen: Auf dem Kopf trägt er eine grüne Netzhaube, die seine Haare bedeckt, um den Hals hängt ein grüner Mundschutz, und auch der Rest ist grün– sein Kurzarmhemd ebenso wie seine grüne Schlabberhose und seine Plastikschlappen. Geräuschvoll stößt er den Rauch der Zigarette aus.
    » Du bist noch nicht lange in Rom, oder?«
    Ich nicke.
    » Also, eines musst du kapieren, geh nie beim ersten Klingeln ans Telefon, weil es ja ein squillo sein könnte.« Er erklärt es mir wie einem Analphabeten: » Du hättest einen squillo machen sollen zum Zeichen, dass du da bist. Und ich mache einen, damit du weißt, dass ich komme. So nach dem Motto: Alles klar, bin gleich da.«
    Ich nicke langsam. Wenn ich das recht verstehe, dann muss man in Italien nicht nur den Inhalt von Gesprächen richtig interpretieren, sondern schon das Klingeln des Telefons.
    Massimo raucht in größter Hektik. » Wir müssen uns beeilen, ich habe gleich eine OP .« Er überquert mit Zigarette und kompletter Operationskleidung den Parkplatz und geht zu den Motorini. Vor einem türkisfarbenen bleibt er stehen. » Eccola!« Das Moped ist durch ein Detail eindeutig als italienisch zu erkennen: Es hat einen Windschutz aus Plexiglas. Warum gibt es den auf deutschen Mopeds eigentlich nicht, wo es doch nördlich der Alpen so viel kälter ist?
    Zu Massimos Unverständnis beharre ich auf einer Probefahrt. Als ich nach einem Helm frage, macht der Krankenpfleger abschätzig » Ts!«, schüttelt den Kopf und sagt seufzend: » Madonna!« Er findet mich anscheinend wahnsinnig kompliziert. Offenbar kauft man in Rom Motorini so selbstverständlich, schnell und sorglos wie eine Pizza oder einen Kaffee. Ich hätte gute Lust, Massimo jetzt vom » Tuffe«, dem TÜV , zu erzählen und davon, dass ich aus einem Haushalt stamme, in dem die Lektüre der Stiftung-Warentest-Hefte bei jeder Anschaffung über 10 Euro üblich war.
    Trotzdem ist der Handel in etwa 30 Sekunden erledigt. Der Kaufvertrag auf einem Blatt mit dem Briefkopf des Krankenhauses Umberto I. ist acht Zeilen lang, das Geld steckt sich Massimo in seine grüne OP -Helfer-Hose.
    Ich kann es kaum glauben: Ich habe ein Motorino! » Fremd-e Körper-e«-Zeiten, so hoffe ich, sind jetzt vorbei.
    Bei der Ausfahrt vom Parkplatz in den Stadtverkehr stehe ich ewig. Es ist jetzt Mittag, eigentlich nicht gerade Hauptverkehrszeit, doch in Rom ist durchgehend die Hölle los. Um 4 Uhr in der Frühe wäre vermutlich die beste Zeit für einen blonden Nordmenschen, in Rom das Mopedfahren zu üben. Aber was soll’s: Mehr als den Tod fürchte ich, schwer verletzt zu überleben und anschließend unter Assistenz von OP -Helfer Massimo operiert zu werden.
    Ich atme durch und gebe Gas. 20– 45– 50– 60 km/h. Ich biege von San Giovanni in Laterano kommend rechts ab und habe links von mir die prächtige Kulisse der Caracalla-Thermen. Alles, was ich jetzt mache, ist erhebend für mich: das erste Mal blinken, der erste Spurwechsel, das erste Überholmanöver. Ich düse einmal um das Kolosseum, fahre fünf Runden um die Piazza Venezia und den Polizisten, der in ihrer Mitte den Verkehr auf höchst elegante Weise dirigiert. Man muss einfach mitschwimmen im Verkehr. Ja, ich werde sogar von einem Italiener nach dem Weg gefragt. Wahrscheinlich sollte ich auch als Fußgänger in Zukunft den Helm tragen.
    Muss ich jetzt eigentlich noch eine Fahrstunde nehmen?
    Hm.
    Das schlechte Gewissen gewinnt die Oberhand, und so sitze ich schließlich im Stadtteil Prati in einer autoscuola vor Fahrlehrer

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