Madonna, ein Blonder!
dem Handy an. Er ist nicht erreichbar.
Böööööööööö.
Dagegen ist ja das Münzen-auf-den-Boden-werfen-Spiel des kleinen Francesco fast wie Kammermusik!
Jetzt: Stille.
Doch nur für einen Moment. Einer der Bauarbeiter fängt an zu singen, ein anderer erzählt einen Witz, alle lachen. Wenn das mehrere Wochen so geht, kann ich hier unmöglich wohnen bleiben. Geschweige denn arbeiten. Die Wand mindert die Baustellengeräusche nicht im Geringsten. Ich höre alles so deutlich, dass ich genauso gut rübergehen und sagen könnte: » Wisst ihr was, ich setz mich zu euch, in Gesellschaft macht mir der Lärm weniger aus.« Böööööööööö.
Und dann kommt ein neues Geräusch. Von der Wand über dem Esstisch. Krrraaazzzuuuuun.
Putz bröckelt, Steine fallen auf meinen Fliesenboden. Dann ist es da: ein faustgroßes Loch in der Wand.
Ruhe.
Dumpfe Stimmen der Arbeiter, ich höre, wie sie fluchen: » Cazzo!« und » Matto!«, dann schaut ein Auge durch das Loch in der Wand zu mir rüber, und ich höre den Mann von vorhin sagen: » Oh, scusi!«
Ich winke den Arbeitern von der Couch freundlich zu: » Buon giorno, ragazzi.« Jetzt ist klar, dass die Bauarbeiten nicht nur bei Signor Agopovic, sondern auch bei mir stattfinden. Zwar waren Durchreichen mal in Mode, aber eher selten solche, die zum Nachbarn führen. Nein, das Loch muss geschlossen, die Wand gestrichen werden. Immerhin habe ich durch diese Panne einen seltenen Einblick in die Mauerkonstruktion eines römischen » Palazzo« aus den Siebzigern gewonnen: Etwa einen Fingerbreit Mauer, einen Fingerbreit Hohlraum, dann noch einmal einen Fingerbreit Mauer, und schon ist man beim Nachbarn.
Ich brauche eine Herberge für die Zeit der Bauarbeiten– ich brauche jetzt Dino.
Fünf Minuten später stehe ich im » Papagallo«. Dino ist nicht da, Giuliano gibt mir seine Adresse.
Vor einem ähnlich wenig palastähnlichen » Palazzo« wie meinem, nicht weit von Leos » Antiche Delizie«, drücke ich auf den Klingelknopf neben dem Namensschild » Dino Delponte«. Ein kreischendes Geräusch folgt.
» Si?« Das ist Dino. Als ich meinen Namen sage, höre ich erst ein überraschtes » Che cazzo!« und dann » Dritter Stock«.
Der sonst so fein gekleidete Barista des » Papagallo« erwartet mich in Jogginganzug, Badelatschen und unrasiert. Er steht im Türrahmen und hat die Handflächen ineinandergelegt und schaukelt sie vor sich her, was die nonverbale Form von che cazzo ist. Wir schlagen tennisspielermäßig ein, Dino gibt mir einen dicken Schmatzer auf die linke und einen dicken Schmatzer auf die rechte Wange. Ein distanziertes Händeschütteln wie in Deutschland hätte mir jetzt auch gereicht. Die Wohnung von Dino mag ideal sein für einen Hefeteig, aber ungeeignet für menschliches Leben: Dunkel und schwülwarm. Als ich irritiert umhertapse, erklärt er mir, er habe nur nachts die Rollläden oben, um zu lüften. Morgens mache er sie zu, damit die heiße Luft nicht in die Wohnung dringe. Einigermaßen ratlos stehe ich da inmitten des im Prinzip sicherlich schönen, wenngleich dämmrigen Wohnzimmers und schaue auf Rollläden, die vor Panoramafenstern heruntergelassen sind. Hier hätte man jetzt einen tollen Blick über Rom. Eigentlich…
» Willst du etwas sehen?« Dino nickt mit dem Kopf in Richtung Tür und geht voraus.
Wir stehen in einem Zimmer voller Espressomaschinen. An den Wänden auf Kopfhöhe drei massive, mit Winkeln an die Wand montierte Metallbretter, die den ganzen Raum umlaufen, darauf insgesamt gut 100 caffettieras, Espressokannen aus Alu. » Moka aus sechs Jahrzehnten«, sagt Dino, » auf Märkten gekauft, geschenkt bekommen, gefunden.« Ich staune schweigend: Darunter haben auf zwei schweren eisernen Regalböden ein gutes Dutzend Profigeräte ihren Platz: Espressomaschinen wie La Pavoni, Cimabli, Bialetti, Conti Empress… Dino liest mir die Namen von den glänzenden und wie frisch geputzt aussehenden Maschinen vor. » Funktionieren alle«, erklärt er voller Besitzerstolz. Er geht zu einem kastenförmigen Modell, unsere Gesichter spiegeln sich im Chrom ober- und unterhalb des gelb gestrichenen Stahls. » Das ist eine Carimali Tema von 1956«, sagt Dino und streichelt über die Maschine, » auf der– wir haben sie Rita getauft– ich meinen ersten Kaffee machen durfte. Aber erst, als Dario es mir erlaubt hat.«
Dario?
Dino erzählt, dass er mit 14 Jahren anfing, im » Alberone« in der Nähe der Via Appia im Süden von Rom zu arbeiten, immer nach
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