Madonna, ein Blonder!
Francesco, den mir Dino empfohlen hat. » Un bravo ragazzo«, hatte er gesagt, ein guter Junge. So weit er, Dino, es wisse. Denn Francesco ist der Neffe eines Mannes, der jeden Tag bei Dino einen Cappuccino senza schiuma , einen Cappuccino ohne Schaum, trinkt. Dino hat mir damit eindrucksvoll bewiesen, dass ein guter Barista nicht nur jede Form von Kaffee können muss, sondern auch ein lebendes Schwarzes Brett ist.
» Eeeh, ich habe schon Wohnungen, Autos, Häuser und Schrankwände vermittelt«, meinte Dino. » Und auch inamorati «– Verliebte. Dabei hat er mir zugezwinkert. Stimmt das, oder war das nur eine Anspielung auf Elisa und mich?
Fahrlehrer Francesco macht » Eeeeh«, als ich ihm erzähle, dass ich gerade schon eine Stunde glücklich durch Rom gefahren sei: » Eeeeh, Madonna, du brauchst keinen Unterricht mehr!«
Weil ich nun schon mal da sei, lädt er mich ein, eine junge Fahrschülerin, Viviana, bei einer Stunde zu begleiten.
Das Ganze ist: absurdes Theater.
Schon in Deutschland fahren normale Autofahrer anders, schneller, risikobereiter als Fahrschüler, doch hier in Rom wirkt das Nebeneinander von Fahrschulautos und durchgeknallten Römern, als fänden zwei verschiedene Sportarten auf einem einzigen Spielfeld statt. Beispielsweise Schach und Formel 1. Wir fahren 50, die anderen etwa 90. Viviana hält korrekt vor der Haltelinie einer Ampel, alle anderen stellen sich mittendrauf oder fahren gleich bei Rot drüber. Und immer wieder spüren wir die Druckwelle einer macchinetta. Das sind eigentlich Mopeds mit vier Rädern oder eben Autos mit Mopedmotor, fahren allerdings viel schneller, als sie dürfen. Francesco erklärt, die reichen Römer würden ihren Kindern macchinette zum 16. Geburtstag schenken, damit sie nicht aufs Moped steigen und nach Möglichkeit noch den 17. Geburtstag erleben.
Als wir auf einem dreispurigen Abschnitt des Lungotevere den Tiber entlangfahren, wirken wir wie eine Schnecke, die versucht, an einem Pferderennen teilzunehmen. Als ich Francesco frage, ob es nicht ein bisschen frustrierend sei, den Schülern Regeln beizubringen, die sie nie einhalten werden, macht Francesco nur ganz gedehnt » Eeeeeeeeh!«, was ich nur folgendermaßen interpretieren kann: » Natürlich ist es frustrierend. Aber frag nicht so blöd.«
Che fortuna! Glück im Unglück
Einige Tage später zu Hause.
Böööööööööö. Pause. Böööööööööö. Ich schrecke auf und schaue auf die Uhr. Es ist 8 Uhr 01.
Böööööööööö. Das kommt von rechts. Vom Nachbarn, vom Zahnarzt. Er ist also da. Böööööööööö.
Entweder sitzt da gerade der tapferste Kariespatient aller Zeiten auf dem Behandlungsstuhl, oder Dr. Agopovic ist Elefantenkieferorthopäde.
Böööööööööö.
Schlaftrunken wanke ich Richtung Bad und rutsche fast aus. Wieder Post von den Lovellos: » Carissimo, nur ein kleiner Gedanke.« Sie haben mir den Prospekt eines Kaffeefahrtveranstalters unter der Tür durchgeschoben, der für 450 Euro einen dreitägigen Londonaufenthalt anbietet.
Selbst wenn ich Engländer wäre, fände ich diese ständigen Hinweise auf die Heimat langsam ziemlich penetrant.
Doch da liegt auch ein zweiter Zettel: » Lieber Nachbar, entschuldigen Sie die Störung. Ich habe ab heute Renovierungsarbeiten. Dr. Agopovic.«
Böööööööööö.
Um 8 Uhr 02 läute ich beim Zahnarzt Sturm. Ein Bauarbeiter macht auf, Putz, nicht Elefantenblut auf seiner Kleidung.
» Buon giorno!«
Ich lege die Handinnenflächen zusammen und bewege sie rauf und runter, wie Dino es macht. Dazu sage ich im Rhythmus der Handbewegung: » Was… macht… ihr… da?«
» Eeeeeeh!« Der Bauarbeiter zeigt nach drinnen. Er braucht auch gar nichts zu sagen, ich sehe es schließlich selbst: Allerdings nichts Genaues, denn drinnen liegt alles unter einer dichten Staubwolke. Jedenfalls handelt es sich nicht nur um das Streichen von Wänden, so viel ist klar.
» Das dauert ein paar Wochen«, erklärt der Handwerker.
Ich bin entsetzt.
Der Mann macht wieder » Eeeeeeh!«, womit er wohl zum einen sein Schuldbewusstsein signalisieren und zum anderen zum Ausdruck bringen will: » Da kann man nichts machen.«
» Scusa«, sagt er noch, ich murmle: » Ihr könnt ja nichts dafür«, dann gehe ich rüber und lehne mich von innen an die Wohnungstür.
Was– bööööö– soll– bööööö– ich– bööööö– jetzt– bööööö– machen?
Böööööööööö. Pause. Böööööööööö.
Ich rufe Luca, meinen Vermieter, auf
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