Madonna, ein Blonder!
echt nur Freunde?
Wir verabreden uns für den nächsten Nachmittag in San Lorenzo.
Der Abschied von meiner Wohnung fällt mir nicht schwer. Wieder hat mich um 8 Uhr 01 das Böööööööö von der Baustelle aus dem Bett geworfen. Nur, dass es jetzt durch das Loch in der Wand noch lauter klang. Als ich gegen Mittag auf dem Weg nach San Lorenzo beim » Papagallo« haltmache, sieht Dino zum ersten Mal mein neues Motorino.
» Congratulazioni!« Mein Retter in der Not ist ganz begeistert. »Jetzt kann ich dir ja sagen, dass du mit dem Fahrrad ziemlich peinlich aussahst.« Er schaut auf die Uhr: » Du fährst zu Elisa? Ich komme mit.«
» Wie? Jetzt?«
Dino tut ganz locker. » Ja klar. Elisa ist sozusagen meine Nichte, meine Schicht ist zu Ende. Eeeeh, ich begleite dich.«
Und dann kommt ein Zusatz, der mit anzi beginnt, was eigentlich so viel wie » im Gegenteil« oder » darüber hinaus« bedeutet, aber in Dinos Sprachgebrauch heißt es: » Es wird noch besser.« Ich bin gespannt, was er vorhat.
» Anzi. Ich fahre nicht mit, sondern fahre selbst.« Er zeigt auf mein Moped. » Kann ich es ausprobieren?«
Und so finde ich mich hinter Dino auf meinem Moped wieder. Ich mache es, wie ich es aus Deutschland kenne, und schlinge meine Arme um meinen Vordermann, doch das hätte ich bei aller Freundschaft lieber gelassen. Er dreht sich zu mir um, als ob ich verrückt sei, ich ziehe meine Hände weg und halte mich am Kofferaufsatz fest. Italienische Männer mögen 50 Kilo Gel in die Haare schmieren, rosa Hemden und hellblaue Sonnenbrillen tragen, aber wenn man sich am anderen festhält, um nicht vom Moped zu fallen, wird das als schwule Anmache verstanden.
Noch bevor er losfährt, wählt Dino eine Nummer und stopft sich rasch sein Handy zwischen Ohr und Helm. Aha! Auch Dino gebraucht also diese sensationelle Technik, sich das Handy in den Helm zu klemmen, um dann während der Fahrt quasseln zu können. Und auch Dino verwendet dafür, so wie viele Motorradfahrer, ein Klapphandy: Das sitzt besser und fällt nicht aus dem Helm. Nebenbei bemerkt: Dino fühlt sich auch sonst ziemlich cool dabei, sein Handy aufzuklappen. Er macht das mit jene r Lä ssigkeit, mit der Westernhelden ihren Colt entsichern.
Offenbar hat am anderen Ende bereits jemand abgehoben, denn Dino ruft schon » Pronto, ciao!« und redet drauflos, während er versucht, sich in den Verkehr einzuordnen. Allerdings kann von » einordnen« keine Rede sein, denn Dino fährt einfach in die äußerste von zwei Spuren hinein. Es erinnert mich an die Kindheit, wenn man auf dem Schlittenberg der Form halber » Aus der Bahn!« rief und sich ohne Rücksicht auf Verluste den Hang hinunterstürzte. Nur dass man maximal 10 km/h fuhr. Dino fährt aber 50, als er waghalsig ausschert, um einen Lastwagen zu überholen, und dabei in bester Laune seinem Gesprächspartner am Telefon von seiner Tour auf dem Moped eines Freundes– mir!– zu berichten: Er lacht, gestikuliert und scherzt, als gäbe es keinen besseren Ort als ein Moped in voller Fahrt, um mal wieder ausgiebig zu quatschen. An der ersten roten Ampel– beziehungsweise der ersten, die Dino beachtet– beendet er das erste Gespräch ( » Entschuldige, bis später!«), zieht rasch das Klapphandy aus dem Helm, wählt eine weitere Nummer und stopft es sich erneut ans Ohr. Wieder lacht und erzählt er, unterstreicht seine Reden mit einem Arm, den er zu diesem Zweck vom Lenker nimmt. Danach weiß er offenbar niemanden mehr, den er anrufen könnte. Zum Glück.
Doch statt sich jetzt voll auf die Straße zu konzentrieren, spielt er den stolzen Römer: » Das hier links ist der Petersdom«, erklärt er, als wüsste ich das nicht, und schaut für mindestens fünf Sekunden Richtung Kuppel. Wir fahren über den Tiber. » Das ist die Engelsburg«, sagt Dino und zeigt auf der Länge von 100 Metern hinüber auf das ehemalige Grabmal von Kaiser Hadrian. Und als wir mit Vollgas über den Corso Vittorio Emanuele rasen, nimmt er für ein paar Dutzend Meter eine Hand vom Lenker und beschreibt eine weite Geste: » Ist Rom nicht wunderschön?«
An jeder Kirche, die wir passieren, bekreuzigt er sich rasch– und fährt wieder nur einhändig. Rom hat viele Kirchen!
Trotzdem überleben wir die Fahrt, denn alle hier rechnen ständig mit einem verrückten Manöver der anderen Verkehrsteilnehmer. Ist etwa eine Ampel rot, drängeln sich alle Motorini zwischen den Außenspiegeln der Autos hindurch, selbst durch kleinste Lücken, sickern nach
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