Madonna, ein Blonder!
Zungenspitze ein » Ts«-Geräusch, was in Dino-Sprache » Nein« heißt. » Zu wenig ausgefallen, die wollen etwas, wo noch nie jemand war.«
Dino zuckt mit den Schultern, hält inne und beugt sich feierlich über die Theke. » Te lo dico io dove devi andare.« – j etzt sag ich’s dir, wo du hinfahren musst.
Aufmunternd nicke ich ihm zu. Na?
» In die Abruzzen«, sagt Dino feierlich. » In meine Heimat!« Ich erfahre, dass Dino dort geboren sei, in einem kleinen Dorf namens Angolorotondo.
» Angolo del mondo?«, frage ich nach. » Nie gehört!«
» Ts«, macht Dino und hämmert mir den Ortsnamen ein: » Ang-o-lo-ro-ton-do!« – Runde Ecke. Das ist ja mal ein toller Ortsname.
» Meine Heimat«, sinniert Dino, » auch die von meiner Cousine Susanna, Elisas Mutter«, fährt Dino fort, » sie kommt auch aus Angolorotondo.« Dino zwinkert mir zu und grinst. » A proposito – Neuigkeiten von Elisa?«
» Nicht wirklich«, klage ich. » Und ins ›Papagallo‹ kommt sie auch nicht mehr.«
Dino sagt » Eeeh. Sie arbeitet zu viel.«
Einen Moment schweigen wir.
» Also Abruzzen«, murmle ich. Hmm. Ich verbinde bislang drei Dinge mit den Abruzzen: Erstens: einen Freund meiner Eltern, der immer von den » Abruzzen« und seinem dortigen Ferienhaus redete und uns Kinder mit dem seltsamen Wort » Abruzzen« amüsierte. Zweitens: das schlimme Erdbeben von 2009 mit den Zerstörungen in und um die Stadt L’Aquila. Drittens: Dinos Bericht über Elisas Verehrer Ermanno, der irgendwo in den Abruzzen darauf wartet, Elisa zu erobern und seine Widersacher zu erschlagen.
Aber die Idee ist gut. » Wie lange fährt man denn dahin, in die Abruzzen?«, frage ich.
Dino macht mal wieder sein abfälliges » Ts«, streckt den rechten Arm weit aus und zeigt vor die Tür des » Papagallo«: » Biondino, stanno qua davanti.« Die Abruzzen seien gleich hier vorne. » Ein, zwei, drei Stunden Fahrt. Nichts.«
Ich will gerade nach einer etwas präziseren Zeitangabe fragen, da kommt Dinos Vorschlag des Jahres: » Ruf doch Elisa an. Vielleicht kann sie dir helfen. Alleine verfährst du dich nur.« Er zwinkert mir zu und grinst. Coraggio! Nur Mut!
Im ersten Moment ist Elisa wenig begeistert. Nach ein bisschen nettem Vorgeplänkel habe ich die Bombe platzen lassen: Dass ich mit ihr in die Abruzzen fahren will. Jetzt lenkt sie seit zehn Minuten vom Thema ab.
» Elisa, fährst du jetzt mit mir? Ich meine nur wegen des Artikels! Ein Tagesausflug!« Am liebsten will ich morgen los. » Ich würde zum Beispiel auch gerne nach Angolo del mondo fahren«, sage ich unschuldig. Hieß so nicht der Ort, von dem Dino geredet hat? Oder hieß er » Antonio Tondo«?
Elisa ist empört. » Dino hat dir von Angolorotondo erzählt? Impossibile! Unmöglich! Das ist eine sehr persönliche Sache.«
Ich weiß schon warum. Ermanno!
» Wir müssen ja nicht dahin fahren«, beeile ich mich zu sagen. Mir ist es eh völlig egal, wohin wir fahren. Hauptsache ein paar Stunden mit Elisa.
Ein paar Sekunden sagt Elisa nichts. Dann, mit einem Seufzen: » Va bene. Aber nur damit du nicht irgendwo in den Bergen verloren gehst. Und wir fahren nicht nach Angolorotondo. Und nur ein Tagesausflug.«
» Wohnen deine Eltern auch da ?«, frage ich vorsichtig.
» Nein, die wohnen in Rom. Aber vergiss es einfach wieder, denn wenn eines sicher ist, dann dass wir nicht nach Angolorotondo fahren.«
Gut, die Botschaft ist angekommen.
Am nächsten Vormittag stehe ich mit einem Mietwagen vor Elisas Palazzo in San Lorenzo. Ich bin spät dran. 30 Minuten nach der verabredeten Zeit kommt auch Elisa –endlich!
» Ich habe noch recherchiert, wo wir hinfahren«, sagt sie und hechtet ins Auto. Kaum zu glauben, dass ich in meinem deutschen Freundeskreis als ewiger Zuspätkommer verschrien bin– so zu spät kommen wie die Römer kann ich gar nicht.
Von San Lorenzo ist man schnell raus aus der Stadt. Wir fahren auf die Tangenziale, eine Stadtautobahn, die ungefähr auf Höhe des zweiten Stockwerks alter Mietskasernen verläuft, die trotz ihres bemitleidenswerten Ausblicks und ihres desolaten Bauzustands ebenfalls beschönigend » Palazzi« genannt werden.
Wir sitzen schweigend nebeneinander und schauen nach vorne auf die Straße. Elisa sucht einen Radiosender: Zur Auswahl stehen Popwellen, Sportradios und Kirchensender.
89,5: » Wenn dein Spieler in der 15. Minute eine gelbe Karte kriegt und dann nicht aufhört zu foulen, musst du ihn als Trainer auswechseln, das sag ich euch.«
Elisa
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