Madonna, ein Blonder!
kennen uns viel zu gut, als dass einer mit dem anderen zusammen sein wollte.
Ja, ich bin verliebt– und deshalb auch nicht wirklich entspannt. Ich habe nämlich mein italienisches Handy in Rom im Ladegerät stecken gelassen. Was, wenn Elisa mir eine SMS schreibt und keine Antwort bekommt? Keine Antwort ist sicher noch schlimmer als tanti saluti.
Eine Bedienung kommt mit einem neuen Tablett Proseccogläser vorbei. » Willst du eins? Heißt ›Semifinale Deutschland– England‹.« Diesmal ist Rote-Bete-Mark im Prosecco. Er klebt am Boden. Ich schlürfe am » Semifinale« und schaue auf die Dias, die ein Projektor an die Wand wirft: Urlaubsbilder von italienischen Stränden von den Siebzigern bis in die Neunziger. Deutsche Kinder, die Sandburgen bauen und Panini-Fußballbilder einkleben.
Bei Amadeo im » Mezzogiorno« fand ich es zwar immer ein bisschen zu schick, aber es war ehrlich: Er bemühte sich immerhin, ein bisschen echtes Italien zu zelebrieren, mit Tramezzini, Spritz und dem » Prego!« bei jeder Bestellung. Gut, auch das ist letztlich Pseudo, aber das hier, das ist Oberpseudo. Auf einer Schiefertafel werden » leichte Snacks« angeboten: » Karottenlasagne mit Dinkelnudeln und feinem Gouda« und » Bärlauchfusilli«. Und dazu Proseccco mit Rote-Bete-Mark.
Na Mahlzeit.
Lieber das Original als eine schlechte Kopie. Und zwar schnell!
Die nächsten 24 Stunden in München verbringe ich in nervöser Erwartung meines Nachtzugs, der mich wieder nach Rom bringen soll. Dann, elf Stunden später, gegen 9 Uhr 30 am Morgen, fahre ich endlich wieder in den Bahnhof Termini ein. Ich fühle mich wie am Tag meiner Ankunft: Die gleiche Freude der Touristen, angekommen zu sein; das gleiche Morgenlicht, das einen heißen Tag verspricht; die gleichen finsteren Gestalten am Gleis, die mit den Touristen ihre Geschäfte machen wollen. Selbst der kanarienvogelgelbe Taxifahrer ist da und versucht, mit » Elpe?« Touristen zu seiner Schrottkarre zu lotsen. Ich schaue ihn böse an und gehe weiter.
Heute will ich mal ein normales römisches Taxi nehmen und mache sogleich eine weitere Erfahrung: Auch die Fahrt damit ist reiner Stress, und auch hier beginnt es mit » Yess-e?«.
Ich nenne meine Straße.
» Yesss-e!« Dann fährt er los. Ohne Taxameter.
Ich seufze, zeige auf das Taxameter, und der Fahrer– » Sorri!«– stellt es an.
Während wir über das Kopfsteinpflaster der Via Nazionale hoppeln, überfliege ich einen laminierten Tarifplan, der mit einer Kordel um die Kopfstütze des Beifahrersitzes geschlungen ist:
» Tariffa 1 : Fahrten innerhalb des Autobahnrings, Kilometerpreis 0,92 Euro.«
» Tariffa 2 : Fahrten außerhalb des Autobahnrings, Kilometerpreis 1,52 Euro.«
Ich schaue auf das Taxameter. In roten Digitalziffern leuchtet der Fahrpreis und rechts daneben die Ziffer 2. Ich zahle also gerade 1,52 Euro pro Kilometer, so als wollte ich in der römischen Pampa von Latina nach Frosinone fahren.
Ich seufze und mache das, was mir Dino für die Auseinandersetzung mit einem betrügerischen Taxifahrer geraten hat. Ich sage, dass sich mein Fahrtziel geändert habe: » Zu den Carabinieri, Piazza Collegio Romano.« Ich möchte nicht noch einmal von Dino ausgeschimpft werden, weil ich mich habe betrügen lassen.
Dinos Tipp funktioniert. Der Mann schaut prüfend durch den Rückspiegel zu mir nach hinten: Offenbar überlegt er, ob ich das wirklich ernst gemeint haben könnte, und stellt schließlich am Taxameter immerhin schon mal den Tarif 1 ein. » Immer noch zu den Carabinieri?«
Ich schüttle den Kopf. » Va bene.« Werde ich es irgendwann einmal erleben, dass ich auf Anhieb und ohne Verhandeln zu müssen, den korrekten Taxi- oder Kaffeepreis zahlen kann?
Hastig stürze ich in meinen Palazzo und in die Wohnung. Ich hab’s ja geahnt: Mein Handy liegt auf dem Tisch, angeschlossen ans Ladegerät. Es blinkt nervös.
Cazzo!
Drei SMS von Elisa:
Die erste ist noch nett. » Wie geht’s? E.«
Die zweite schon weniger: » Martin? Wo bist du? Meld dich mal.«
Die dritte klingt wie ein trotziges Boh : » Was ist los? Elisa.«
O Mann, das sieht nicht gut aus. So schnell wie noch nie in meinem Leben schreibe ich eine SMS : » Bin wieder da!!!!! Hatte mein Handy vergessen!!!!! Scusami. Martin«
Ich räume meinen Koffer auf und schaue alle zwei Minuten auf mein Telefon. Elisa schreibt nicht zurück. Als ich genug davon habe, nervös in der Bude herumzulaufen, gehe ich runter zum » Papagallo«.
Gott, bin ich froh,
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