Madonna, ein Blonder!
dreht weiter. 91,3, eine Popwelle: » Ragazzi, ein Wissenschaftler aus New Orleans hat festgestellt, dass Quallen beim Liebesakt zu leuchten anfangen. Was haltet ihr davon?« 92,0: » Padre Pio war ein großer Zeugedes Glaubens, aber nicht nur des Glaubens, sondern auch der Liebe zum Nächsten und für die ganze Welt, ecco! « Wir entscheiden uns schließlich für die Popwelle und einen Moderator, der » U2« zu » U due« macht, » Coldplay« zu » Cold-e-play-e« und die » Red Hot Chili Peppers« zu den » Red-e Otte Chili Peppers-e«.
Immerhin, die Musik trägt zur Entspannung bei. Denn es ist das erste Mal, dass ich selbst in Rom Auto fahre. Aber ich bin allen zu langsam– wer immer uns überholt, schaut kopfschüttelnd zu uns herüber. Erst mit der Zeit verstehe ich das Prinzip, dass es neben den zwei offiziellen, markierten Spuren eine unsichtbare dritte gibt. Mal fahren nur zwei Autos nebeneinander, mal drei, je nach Lust und Laune. Alles ist hierzulande Interpretationssache: Ampeln sind mehr oder weniger rot, Fußgänger, die am Straßenrand über den Zebrastreifen wollen, mehr oder weniger beachtenswert und Spuren eben mehr oder weniger breit.
Wir fahren geradewegs Richtung Osten. Die Autobahn verläuft erst durch die Ebene, bis sie sich hinter Tivoli verengt und in einem Tal inmitten der Berge verschwindet. Es ist das erste Mal, dass ich in Italien von der Nord-Süd-Route abweiche und quer fahre. Denn normalerweise entscheidet man sich als Italienurlauber von Norden kommend, ob man » links« Richtung Adria fährt oder » rechts« Richtung Toskana, aber auf jeden Fall immer in südlicher Richtung. Früher dachte ich, italienische Berge beschränkten sich auf Südtirol, alles andere wäre Strand. Und jetzt? Hinter jeder Kurve wartet ein neuer Blick, ein neuer Hügel, ein neuer Berg. Ich bin echt begeistert. » Und wo ist jetzt Angolorotondo?« Ich recke meinen Hals vor der Windschutzscheibe hin und her, um möglichst viel zu sehen.
» Nicht hier«, sagt Elisa, » und ich sag’s dir auch nicht.« Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. Immerhin erklärt sie sich dazu bereit, etwas von ihrer Familie und von Angolorotondo zu erzählen:
Angolorotondo, der Ort der für mich verboten ist, ist ein auf 900 Metern Höhe liegendes Dorf mit einer Kirche, zwei Dutzend Bauernhöfen und zwei zueinander in herzlicher Abneigung stehenden Gasthöfen. Der eine gehört der Familie Carbone und ist » böse«, der andere gehört der Familie Rossi, Elisas Familie mütterlicherseits, und ist dementsprechend der » richtige« Gasthof. In diesem Gasthaus aus dem 15. Jahrhundert wurde nicht nur Elisas Mutter Susanna geboren, sondern auch alle ihre acht Geschwister, Elisas Onkel und Tanten. Unter den Geschwistern war es Susanna, die dazu auserwählt wurde, den Gasthof der Familie einmal zu übernehmen, und sie hätte es gewiss getan, hätte nicht eines Tages ein Mann aus dem fernen Rom den Gasthof betreten und nach jenem der Familie Carbone gefragt. Dieser Mann war Enrico Bianchi, Elisas Vater, und da Susanna an der Bar stand und sich Enrico sofort in sie verliebte, interessierte er sich nicht weiter für den Gasthof der Familie Carbone, blieb einige Tage bei den Rossis und war nur eine Woche später mit Susanna verlobt.
» Ganz schön schnell«, sage ich anerkennend.
» Una volta era così«, meint Elisa. Früher war es mal so.
Susanna beschloss, Enrico nach Rom zu folgen, wo sie zwei Kinder auf die Welt brachte, Elisa und ihren älteren Bruder Roberto. Seither führt Elisas Onkel den Gasthof und wenn es irgendein Fest innerhalb der Famlie gibt, ist klar, wo gefeiert wird: Im Gasthof in Angolorotondo.
» Und Dino?«, frage ich.
» Ist ein Cousin meiner Mutter«, sagt Elisa, » Sohn vom Bruder von meinem nonno, meinem Großvater.« Leider seien aber alle ihre Großeltern schon verstorben.
» Und? Magst du deine Familie?«
» Eeeeeeh«, macht Elisa und schaut lächelnd zu mir herüber, » sicher. Wer mag denn seine Familie nicht? Familie ist das Wichtigste. Anzi, mehr noch, das Allerwichtigste!«
Nach einer Stunde passieren wir das Schild Benvenuti in Abruzzo , das uns in der Region willkommen heißt, biegen kurz darauf von der Autobahn ab und erreichen Talento, das erste Ziel unserer Reise. Sieht ganz nett aus: Hinter einer Brücke über eine tiefe Schlucht, in der unten ein Bach plätschert, Häuser, die zum Teil wie Vogelnester in den Hang gedrückt sind. Hier soll irgendwo die Nudelfabrik » Arcangelo-Pasta« sein,
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