Madonna, ein Blonder!
feuchten Küsse ungleich angenehmer waren als die von Elisas männlicher Verwandtschaft.
Nach einer halben Stunde gelangen wir endlich an den Tisch der Cousins und Cousinen, an dem wir sitzen sollen. Roberto, Elisas Bruder, begrüßt mich freundlich mit einem » Come stai?« und schlägt mit mir schon ein wie ein alter Kumpel. Doch wer ist der finstere Geselle neben ihm? » Das ist Francesco«, sagt Elisa und stellt mich diesem Bär von Mann vor.
Aha, Francesco, der Lieblingscousin. Jetzt heißt es: einschleimen!
Der Bär legt mir eine gewaltige Pranke auf die Schulter und verkündet ohne jedes diplomatische Vorgeplänkel: » Du weißt, dass ich immer auf Elisa aufpassen werde?«
Ich nicke.
Mir wird klar: Dieser Mann würde mich umbringen, wenn Elisa es von ihm verlangt. Oder wenn er einfach von sich aus glaubt, seine Cousine könnte unglücklich sein.
Francesco lässt mich immer noch nicht los. Mensch, ich habe doch schon genickt!
Doch erst als ich ein entschiedenes » Ja, verstanden, du wirst immer auf Elisa aufpassen« herauspresse, klopft er mir auf die Schulter und sagt : » Bene, allora mangia.« Gut, dann iss jetzt.
Als wir uns endlich hingesetzt haben, bietet mir Elisa Wein an, ich lehne dankend ab. » Erst einmal nicht, danke!« Stattdessen greife ich zu der auf dem Tisch stehenden Flasche Cola und zur Fanta daneben und mische mir einen » Spezi«, wie das in Bayern heißt. Ein Cola-Mix. Natürlich werde ich danach einige Gläser Wein trinken, doch erst mal brauche ich etwas Erfrischendes.
Ich habe vielleicht ein, zwei Schluck getrunken, da merke ich, dass es im Saal leiser geworden ist. Wieder schauen mich ein paar Dutzend Augen an. Habe ich was falsch gemacht? Ich suche Elisas Blick, ihr Gesicht ist vor Scham rot angelaufen.
Francesco findet als Erster die Sprache wieder, eine sehr deutliche zumal: » Che cazzo fai?« Was ich da mache, will er wissen.
Was meint er denn? Ich schaue ihn ratlos an.
Er deutet mit dem Kinn auf mein Glas. Ich verstehe langsam. Er findet es anscheinend ohnehin schon befremdlich, dass ich keinen Wein trinke. Aber das Mixen von Cola und Limo irritiert ihn noch mehr.
» Der macht immer solche Sachen«, mischt sich jetzt lachend Signor Bianchi ein, der sich in den Kreis der Staune nden gedrängt hat. » Er isst auch Salat mit Joghurt.«
Ein Raunen geht durch den Saal. Salat mit Joghurt! Habt ihr gehört? Der Blonde isst Salat mit Joghurt!
Man starrt mich weiter an.
» Wollt ihr mal probieren?« Ich hebe mein Glas. » Schmeckt gut!«
Elisa schlägt mir auf den Arm. » Musst du immer irgendwelche komischen Sachen machen?« Ich hatte ja schon geahnt, dass es schwierig wird. Aber so einen miesen Auftakt hätte ich mir nicht erwartet. War’s das schon?
In Gedanken klopfe ich bereits an die Tür des » bösen« Gasthauses von Familie Carbone und frage nach Asyl– doch da greift eine Hand nach meinem Glas. Susanna! Meine Schwiegermutter in spe!
» Ich probiere das jetzt mal«, sagt sie feierlich.
Gespannte Erwartung: Susanna Bianchi gilt als der Gourmet in der Familie und hat mich bereits einmal wegen meiner Essgewohnheiten als » pervers« bezeichnet. Segnet sie das Cola-Mix-Getränk ab, ist es gut– und ich werde nicht mehr als ganz so komisch angesehen.
Susanna hebt prüfend das Glas, riecht daran, nimmt einen kleinen Schluck, dann einen größeren.
» Und?«, frage ich nervös.
» Gar nicht so schlecht«, urteilt sie. » Sieht aus wie der Kräuterschnaps von Onkel Ferdinando. Der ist auch immer so dünn. Wahrscheinlich weil er noch Wasser druntermischt.« Alle lachen, ich bin gerettet. Und Elisas Mutter setzt noch einen drauf: » Leute, seid ein bisschen nett zu ihm.« Sie zeigt auf mich.
Ich höre, wie Francesco ein paar Plätze weiter leise murmelt. » Ein bisschen, in Ordnung, ein bisschen schon.«
Tatsächlich bricht mit der Cola-Mix-Geschichte das Eis: Trotz dieser leicht beängstigenden Ouvertüre wird es einer der nettesten Abende seit meiner Ankunft in Italien. Auch der Wein, den ich nach dem Cola-Mix in Wassergläsern herunterstürze, hat daran Anteil.
Irgendwann am späten Abend, ich musste gerade im Anschluss an das Geburtstagsständchen aller noch alleine » Zum Geburtstag viel Glück!« für Onkel Giacomo singen, irgendwann also kommt Elisa zu mir, gibt mir einen Kuss und das größtmögliche Lob: » Sei bravo«, sagt sie, gut gemacht.
» Sicher?«, frage ich.
» Si, si!«
Ich schaue im Saal umher, sehe lachende Menschen und aufgedrehte
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