Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
Vom Netzwerk:
Frage völlig verblüfft. Da war ein Funkeln in seinen Augen, das sie noch nie zuvor gesehen hatte. Kam es von der Fackel? Sie krallte beide Hände in ihren Rock.
    Er lächelte sanft, und es war ein grausiger Anblick. »Ich beschütze dich«, flüsterte er.
    »Wovor?«, fragte sie. Ihr Herz schien seinen Schlag verlangsamt zu haben, gleich würde es ganz aussetzen.
    Die Fackel flackerte.
    »Vor allen, die dir etwas antun wollen.«
    Und da wusste sie plötzlich, was geschehen war. All die vergangenen Tage und Wochen, all die Toten, Rotgerber, die Marktfrau.
    Plötzlich wusste sie, wer sie ermordet hatte.
    Über Spindlers Gesicht glitt ein schwaches Lächeln. »Jetzt hast du begriffen«, sagte er. »Und nun komm endlich!«
    Und wieder packte er sie und stieß sie vorwärts, tiefer in das Labyrinth der Felsengänge hinein. Doch wieder kamen sie nicht weit. Diesmal war es Spindler selbst, der unvermittelt innehielt. Als sie überhauptnicht damit rechnete, weil sie noch damit beschäftigt war, zu verdauen, dass er der Dolchmörder war, packte er sie und schleuderte sie gegen die Wand des Stollens. »Was hat er gemeint?« Gespenstisch hallte seine Stimme in dem engen Gang nach.
    Sie blinzelte. »Wovon red …«
    »Der Inquisitor! Was hat er gemeint, als er gesagt hat, dass du schon als Kind nicht mehr unschuldig warst?«
    Als sie die südliche Front des Rathauses erreichten, fühlte Richard sich wie gerädert. Sein Kopf schmerzte so sehr, dass er doppelt sah, sein Herz schien nicht mehr zu schlagen, sondern nur noch unkontrolliert zu zucken. Schritt für Schritt musste er sich vorwärtszwingen. Von hier war es nicht mehr weit bis zur Lochgasse.
    Arnulf erreichte die Ecke als Erster und verlangsamte seinen Lauf, um nicht auf dem rutschigen Pflaster ins Schlittern zu kommen. Er bog in die Gasse ein und rannte weiter, Donatus dicht auf seinen Fersen. Als Richard gleichfalls um die Ecke kam, hieb Arnulf schon mit der Faust gegen die Eingangstür der Lochwirtswohnung. Es dauerte nur wenige Augenblicke, dann wurde ihnen geöffnet. Ein blasses Gesicht schaute zu ihnen heraus, aber Arnulf fackelte nicht lange. Er drückte die Tür ganz auf, schob die junge Frau, die vermutlich Denglers Magd war, kurzerhand zur Seite.
    »He!«, protestierte die Magd, aber es nützte ihr nichts. Nach dem Nachtraben rannten auch noch Donatus und Richard an ihr vorbei ins Innere der Wohnung. Von dort aus ging es eine schmale, steile Treppe hinab in einen Raum, der dem Lochwirt als Küche diente. Vorbei an einem Herd, der auf Füßen aus Feldsteinen stand, und hin zu einer eisenbeschlagenen Tür, dem eigentlichen Eingang zum Lochgefängnis. Früher, unter Denglers Vorgänger, war die Tür stets abgesperrt gewesen, doch offenbar galt diese Regel nicht mehr. Mit einer Selbstverständlichkeit, die Richard vermuten ließ, dass er hier des Öfteren einund ausging, öffnete Arnulf die Tür. Unter dem keifenden Protest der Magd liefen sie weiter und fanden sich in der Brunnenstube wieder.
    Dumpf schlug die übelriechende, klamme Luft des Verlieses über ihnen zusammen. Im Gegensatz zum letzten Mal, als er und Arnulf hier unten gewesen waren, war die Luft jetzt von Stimmengewirr erfüllt. Richard griff nach dem Schwert und zog es sicherheitshalber.
    Sie umrundeten eine Gangbiegung, und im nächsten Moment standen sie vor einer Ansammlung von Männern in Patrizierkleidung, die erregt aufeinander einredeten. Der Stadtrichter Isidor Flechner war bei ihnen und zwei Räte, die Richard noch von früher her kannte. Ein Mann namens Karl Mullner und einer mit Namen Walther Hofer.
    Der Lochwirt stand bei ihnen, versuchte sich Gehör zu verschaffen. »Sie sind beide tot!«, hörte Richard ihn jammern.
    Dann bemerkten die Männer Richard und die beiden anderen. Erstaunt blickten sie ihnen entgegen.
    »Was macht Ihr hier?«, fragte Mullner.
    »Den Dolchmörder jagen«, gab Arnulf an Richards Stelle zur Antwort.
    Der Stadtrichter starrte ihn ärgerlich an. »Der Dolchmörder wurde heute Mittag auf dem Rabenstein hingerichtet.«
    »Nein!«, kam Richard Arnulf zuvor. »Tobias war nicht der Mörder. Dr. Spindler ist es!«
    Ungläubiges Gelächter war der Lohn für seine Behauptung.
    »Unsinn!«, schnappte der Stadtrichter.
    »Doch!« Endlich schaffte Gabriel Dengler es, mit seinen Worten durchzudringen. »Ich sagte doch schon die ganze Zeit: Spindler hat diesen Inquisitor erstochen. Er liegt dort hinten!« Er wies in den Gang hinter sich. »Spindler ist gekommen, hat mir

Weitere Kostenlose Bücher