Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
Vom Netzwerk:
Katharina dachte daran, wie sie ihr vorhin Ratschläge gegeben hatte, was sie gegen ihre Sehnsucht nach Richard tun sollte. Brunhild kannte sich also mit Anfechtungen dieser Artdurchaus aus. Aber waren nicht genau diejenigen die größten Heiligen, die gegen die Versuchung gekämpft und sie besiegt hatten?
    Brunhild musste würgen, und ihr gesamter Körper verkrampfte sich.
    Während Katharina ihr die Schüssel hinhielt, tappte jemand so leise wie möglich draußen auf dem Gang entlang. Sie warf einen Blick durch die nur halb geschlossene Tür und glaubte die Gestalt von Tobias zu erkennen, die an dem Spalt vorbeihuschte.
    Auf Donatus’ Miene erschienen tiefe Falten der Missbilligung. Nachdem Brunhild sich wieder beruhigt hatte, nahm er Katharina die Schüssel ab und verließ den Raum, um sie zu entleeren. »Lauschst du etwa?«, hörte Katharina ihn sagen. Sie ließ die kranke Frau zurück in die Kissen sinken.
    Auf dem Flur ertönte unverständliches Gemurmel, dann das Geräusch von hastigen Schritten, schließlich klappte eine Tür, und Möbelbeine scharrten über den Fußboden.
    Inzwischen stand Schweiß auf Brunhilds Gesicht. Sie würgte erneut, aber zu Katharinas Erleichterung übergab sie sich diesmal nicht. Donatus war noch nicht mit der Schüssel zurück. Katharina starrte verdrießlich auf die Kammertür. Warum dauerte das so lange?
    Gerade als sie das dachte, kehrte der Bader zurück. »Tobias hat gelauscht«, berichtete er und reichte Katharina die Schüssel. Er war am Brunnen gewesen und hatte sie ausgewaschen. Ein paar klare Tropfen hingen noch an ihrem Rand, und sie netzten Katharinas Hände.
    Brunhild hatte die Augen geschlossen, und sie sah aus, als würde sie gleich einschlafen.
    »Na und?« Katharina stellte die Schüssel zurück auf den Boden. Dann legte sie der Kranken die Hand auf die Stirn. Brunhilds Haut war klamm. Kein gutes Zeichen.
    »Ich glaube, es wird Zeit, den Priester zu holen.« Brunhild öffnete die Augen kurz, schloss sie aber sogleich wieder. An ihrem faltigen Hals pochte eine einzelne Ader in langsamem, leicht unregelmäßigem Rhythmus.
    Katharina biss die Zähne zusammen. »Bist du sicher?«
    Brunhild nickte. Sie atmete einmal ein, einmal aus, und dann lag sie für einen Moment lang so still, dass Katharina schon fürchtete, sie sei gestorben. Doch gleich darauf schlug sie die Augen wieder auf, und diesmal ließ sie sie offen. Schweigend sah sie Katharina an.
    Katharina verspürte Unsicherheit angesichts des nahenden Todes. Dies war das Schwierigste, was sie als Heilerin zu tun hatte: einzugestehen, dass all ihre Kunst nicht mehr weiterhelfen konnte. Dass alles letztendlich doch in Gottes Hand lag.
    Donatus schaute betroffen auf die alte Frau nieder. »Wen sollen wir holen?«, fragte er leise.
    Katharina dachte nach. Das Viertel an der Frauentormauer wurde seelsorgerisch eigentlich von einem Priestermönch des Kartäuserklosters betreut, doch der Mann war ein missgünstiger, unfreundlicher und wenig herzlicher Kerl, dessen Predigten vor Höllenstrafen nur so strotzten. Vor ein paar Tagen hatte er Brunhild die Krankensalbung erteilt, und danach hatte sie sich darüber beschwert, wie lieblos und hastig er die Zeremonie durchgeführt hatte. Nein, in seine Hände wollte sie Brunhilds Seelenheil nur ungern legen.
    »Was ist mit Dr. Spindler?«, schlug Donatus vor.
    Katharina rieb sich die Stirn. Der Priester aus Heilig-Geist war eine gute Wahl, er war warmherzig und vermochte es, zu trösten. Katharina nickte. »Ja«, meinte sie. »Eine gute Idee! Lauf nach Heilig-Geist und hol ihn!« In Gedanken überschlug sie den Weg bis ins Spital. Wenn Donatus sich beeilte und den Priester sofort fand, wäre er in kaum einer halben Stunde wieder hier.
    Donatus war erleichtert, dass er einen Grund hatte, die stickige, übelriechende Kammer zu verlassen und im Freien frische Luft zu schnappen. Er wusste, dass er sich beeilen musste, wenn er Dr. Spindler rechtzeitig herholen wollte, aber trotzdem hielt er inne, als sein Blick auf Tobias fiel.
    Wie eben schon einmal stand der Junge jetzt wieder neben seiner Kammertür. Wie ein Reh kam er Donatus vor, das sich ängstlich aus der Deckung seines Dickichts wagte und das angespannt darauf lauschte, ob ihm eine Gefahr drohte. Sein Blick hing an Donatus’ Gesicht. Groß waren seine Augen und voller Angst.
    »Ich tue dir nichts«, versicherte Donatus ihm. Er hatte sich schon halb an dem Jungen vorbeigeschoben, als der einen kurzen Pfiff ausstieß.
    Eine

Weitere Kostenlose Bücher