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Madonna

Madonna

Titel: Madonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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starrte Kilian ihn an. »Sie tuscheln«, sagte er. »Über dich. Sie sagen, du seist mit dem Teufel im Bunde, weil du Jungs magst.« Er wischte sich mit dem Ärmel über die Nase. Seine Hand zitterte sichtbar. »Aber du hast mich niemals … angefasst.«
    Das Kribbeln in Donatus’ Nacken verwandelte sich in ein Gefühl von Kälte. »Wer hat dich angefasst?«, murmelte er. Er drehte das Messer in den Händen, dann schob er es in die Scheide an seinem Gürtel.
    Kilian antwortete ihm nicht. Stattdessen begann er wieder, diese furchtbare kleine Melodie zu pfeifen.
    Donatus drehte sich der Magen um. »Wer, Kilian?« Jetzt kam er doch hinter dem Pult hervor.
    Kilian hob abwehrend beide Hände. Sein Blick flackerte. »Was weißt du schon?«, schrie er. »Du hast doch keine Ahnung!«
    Und mit diesen Worten war er aus dem Raum gestürmt. Donatus hätte ihn aufhalten können, aber er hatte es nicht getan, und darum quälten die Schuldgefühle ihn seitdem Nacht für Nacht.
    Als er Kilian nämlich das nächste Mal wiedergesehen hatte, waren seine Lippen blau gewesen. Das Wasser der Pegnitz war aus seinen Haaren getropft und hatte auf seinen Wangen ausgesehen wie Tränen …
    Die Erinnerung überwältigte Donatus mit solcher Wucht, dass er in die Knie ging. Durch die Streben des Brückengeländers hindurch starrte er in das gurgelnde Wasser, in dem Kilian am Ende seinen Frieden gefunden hatte.
    Er spürte, wie ihm Tränen über das Gesicht rannen. Wie sehr er den Jungen vermisste! Kurz zuckte ein finsterer Gedanke durch seinen Kopf. Was, wenn er jetzt und hier selbst ins Wasser …?
    Er würde ebenfalls Frieden finden.
    Erschrocken rappelte er sich auf. Sein Messer, das er am Gürtel trug, blieb an dem Geländer hängen, und er musste es zur Seite schieben. Eilig schlug er ein Kreuz über sich. Was war er nur für ein Waschlappen? Katharina und Brunhild warteten daheim auf seine Hilfe, und er saß hier und ergab sich in Heulen und Zähneklappern!
    Zögernd ließ er das Brückengeländer los. Der Boden schien jetzt wieder fest unter seinen Füßen. Er packte die Messerscheide, rückte sie bequemer hin.
    Dann setzte er seinen Weg fort.
    »Sie stirbt!«
    Ganz leise erklang Tobias’ Stimme, und wenn es in der Kammer genau in diesem Moment nicht so unendlich still gewesen wäre, hätte Katharina ihn überhört.
    So jedoch wandte sie sich zu ihm um. Sein Gesicht war bleich, die Augen weit aufgerissen, und er wirkte fahrig, wie ein Tier auf der Flucht. Nachdem Donatus ihm geraten hatte, in seine Kammer zu gehen, und danach verschwunden war, um Dr. Spindler zu holen, schien irgendetwas Tobias erneut auf den Flur getrieben zu haben. Katharina fragte sich, was es wohl sein mochte.
    »Du musst keine Angst haben«, sagte sie.
    Zögernd kam er einen Schritt näher, trat jedoch nicht über die Schwelle. Sein Kopf berührte beinahe den Türrahmen, und trotz seiner Körpergröße erschien Tobias in diesem Augenblick eher wie ein verängstigtes Kind als wie ein junger Mann. Wie alt mochte er wohl sein? Kaum älter als fünfzehn, schätzte sie.
    Er konnte den Blick nicht von Brunhilds Gesicht abwenden. Katharina sah, wie sich die verschiedensten Gefühle in seiner Miene abwechselten. Da war die Faszination des Todes, der ihm möglicherweise noch nie in seinem Leben so nahe gekommen war. Da war Angst, die Angst, die ihm in den Augen stand, als Öllinger ihn gebracht hatte. Und dann sah sie auch noch so etwas wie Sorge.
    »Ist es meine Schuld?«, wisperte er.
    Wieder konnte sie ihn kaum verstehen. »Was meinst du?«
    Mit einer kindlich aussehenden Geste streckte er die Hand aus und wies mit dem Zeigefinger auf Brunhild. »Dass sie stirbt. Ist es meine Schuld?«
    Er blickte sie an, als sei er sich ganz sicher, dass sie ja sagen würde.
    »Warum sollte es deine Schuld sein?«, fragte sie und mühte sich, dabei die Fassungslosigkeit aus ihrer Stimme zu verbannen, die sie empfand.
    »Weil ich verderbt bin.« Langsam schien er Zutrauen zu fassen. SeineStimme gewann an Kraft, aber noch immer kam er nicht näher. »Weil ich Gottes Zorn über jeden bringe, der mit mir …«
    »Was für ein Unsinn!« Unwirsch unterbrach Katharina ihn, und er machte einen Satz rückwärts, als habe sie ihm Schläge angedroht.
    Sie warf einen Blick auf Brunhild, doch die schien ruhig und entspannt. Also stand Katharina auf und ging zu Tobias auf den Flur. Gegen die Wand gedrückt stand er da, völlig unfähig, sich zu bewegen.
    »Tu mir nichts!«, bat er.
    Katharina schossen

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