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Madrapour - Merle, R: Madrapour

Madrapour - Merle, R: Madrapour

Titel: Madrapour - Merle, R: Madrapour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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zurückgezogen, ohne daß ich die Hand der Stewardess sehe, das Wägelchen erscheint, und schließlich taucht sie selbst dahinter auf, die Augen gesenkt. Sie hat wieder Farbe bekommen, aber sie wirkt abwesend, von Unruhe gequält. Sie räumt mit mechanischen Handgriffen ab, ohne ein Lächeln, ohne ein Wort, als ob sie uns gar nicht wahrnähme. Mich überfällt ein jähes Gefühl von Kälte und Traurigkeit, als ich sehe, wie sie mein Tablett nimmt, ohne meiner Gegenwart mehr Aufmerksamkeit als einem leeren Sessel zu widmen.
    »Mademoiselle«, sagt Madame Murzec unvermittelt mit ihrergleichermaßen vornehmen wie krächzenden Stimme, »haben Sie die Antworten auf die Fragen, die Sie dem Bordkommandanten in meinem Namen stellen sollten?«
    Die Stewardess fährt zusammen, ihre Hände zittern. Aber sie dreht sich nicht zu Madame Murzec um und sieht sie auch nicht an. Sie sagt benommen und tonlos: »Nein, Madame, es tut mir leid. Ich konnte Ihre Fragen nicht stellen.«

KAPITEL 2
    »Sie konnten nicht?« fragt die Murzec.
    »Nein, Madame«, sagt die Stewardess.
    Schweigen. Ich nehme an, die Murzec wird hartnäckig bleiben und die Stewardess barsch zur Rede stellen, warum sie ihre Fragen nicht stellen konnte.
    Nichts dergleichen geschieht. Und doch ist die Murzec mit ihrer eigensinnigen Stirn und ihren stahlblauen Augen die Verbissenheit in Person. Man kann sich nicht vorstellen, daß sie ihre Krallen einzieht, wenn sie sie erst einmal ausgestreckt hat.
    Niemand schaltet sich ein. Weder der stets so selbstsichere Blavatski noch Caramans, der so auf seine Rechte pocht; weder der unverschämte Chrestopoulos noch die
viudas
, die sich in ihrer mondänen Rolle sonnen, und auch nicht Robbie, dem die Unverschämtheiten auf der Zunge liegen. Man könnte meinen, daß uns die Antworten auf die Fragen der Murzec nicht betreffen.
    Zugegeben: an sich haben diese Fragen keine große Bedeutung. Aber das Ausbleiben einer Antwort stimmt bedenklich. Jedenfalls kann man die Haltung der Stewardess nicht hinnehmen.
    Das aber ist der Fall. Wir schweigen alle, ich auch. Wir blicken auf die Murzec. Wir erwarten von ihr, daß sie nicht nachgibt. Unser Warten besagt: sie hat den Hasen aufgescheucht, soll sie ihn jetzt auch fangen!
    Madame Murzec erfaßt sehr wohl die durchtriebene Feigheit unserer Haltung. Und sie schweigt. Vielleicht ist ihre Reaktion eine Art erbitterter Herausforderung: Ah, jetzt wollt ihr, daß ich rede! Schön, ich sage nichts!
    Chrestopoulos bricht das Schweigen, aber nicht mit Worten, sondern durch Geräusche. Er stößt einen tiefen Seufzer aus und schlägt sich mehrmals mit seinen Patschhänden auf die dicken Schenkel. Ich weiß nicht, was diese Geste bedeutet: Ungeduld oder Unruhe.
    Chrestopoulos, der immer schwitzt und der nie still sitzt und der sich höchst unwohl zu fühlen scheint in seiner Hose, die Falten wirft über seinem dicken Bauch und weiter unten über einem riesigen Gemächt, das ihn mit breit gespreizten Beinen zu sitzen zwingt. Er ist keineswegs ärmlich gekleidet. Man könnte ihm sogar übertriebenen Luxus vorwerfen, vor allem was Schmuck und Ringe betrifft, sämtlich aus Gold. Gelb sind auch die breite Seidenkrawatte auf seiner Brust und seine Schuhe. Man kann nicht einmal sagen, daß er schmutzig wirkt, trotz seines Körpergeruchs. Er gehört vielmehr zu jener Kategorie von Männern, auf denen nach zwei Stunden jedes Hemd zweifelhaft und jedes Jackett zerknittert erscheint: ihre Haut und ihr Körper sondern einfach zuviel Schweiß, Feuchtigkeit und Schleim ab. Sein runder Kopf trägt dichtes Haar in einer Farbmischung von Pfeffer und Salz, seine stechenden Eichelhäheraugen sind unruhig, seine buschigen schwarzen Brauen sind zusammengewachsen, und unter einer Nase von obszöner Form und Länge trägt er den dichten Schnurrbart eines türkischen Janitscharen.
    Chrestopoulos schlägt sich ein letztes Mal auf die Schenkel und steht auf, nachdem er einen verstohlenen Seitenblick auf Blavatski geworfen hat. Er durchquert den rechten Halbkreis, hebt den Vorhang und betritt die Touristenklasse. Mit der verfliegenden Dunstwolke verschwindet der goldfarben glänzende Fleck seiner Schuhe. Wenige Sekunden später hört man, wie er völlig ungeniert die Toilettentür öffnet und schließt.
    Blavatski schnellt hoch, durchquert den rechten Halbkreis in entgegengesetzter Richtung und holt zur allgemeinen Verblüffung unter dem Sitz von Chrestopoulos dessen Reisetasche hervor. Er stellt sie auf den Sitz, öffnet sie und

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