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Madrapour - Merle, R: Madrapour

Madrapour - Merle, R: Madrapour

Titel: Madrapour - Merle, R: Madrapour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Art, gut gekleidet zu sein: alles liegt im Schnitt und im Stoff, nichts in der Farbe. Wie ich Caramans so gekleidet sehe und ihn sprechen höre, bin ich sogleich davon überzeugt, daß er das reinste Produkt eines bestimmten französischen Milieus ist. Er riecht meilenweit nach ENA 2 , Ecole Polytechnique oder Finanzinspektion. Mit etwas Phantasie könnte man beinahe sehen, wie sich hinter seiner Stirn mit cartesianischer Präzision surrend die gut geölten Räder seines Gehirns drehen. Und ich bin sicher, sobald er wieder den Mund aufmacht, werden die Begründungen und Fakten Punkt für Punkt völlig klar und in einer wohlausgewogenen, mit ruhiger Überlegenheit vorgetragenen Rede herauskommen.
    »Dieser Franzose bringt mich zum …« Blavatski beugt sichzu mir und spricht mit leiser, aber deutlich hörbarer Stimme. »Und zum Beweis geh ich auf die Toilette.«
    Daraufhin läßt er ein lautes Lachen hören, steht auf und steuert mit schweren und gleichzeitig elastischen Schritten auf das Heck der Maschine zu.
    Caramans rührt sich nicht.
    Sobald Blavatski verschwunden ist, durchquert ein kleiner, fetter, schmieriger, maßlos vulgärer Passagier hastig das Rund, setzt sich in den von Blavatski verlassenen Sessel, beugt sich zu mir und sagt leise auf englisch, während er sich seltsamerweise gleichzeitig an den zu meiner Linken sitzenden Caramans wendet: »Mr. Sergius, wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, hüten Sie sich vor Blavatski. Er ist ein CIA-Agent.« Und in unterwürfigem Tonfall fügt er hinzu: »Mein Name ist Chrestopoulos. Ich bin Grieche.«
    Ich antworte nicht. Es widerstrebt mir, irgendwelchen Kontakt mit einem Mann zu haben, der sich mir auf so indiskrete Art aufdrängt. Mehr noch: er ist mir lästig. Er riecht nach Knoblauch, Schweiß und einem billigen Parfum.
    Aber Caramans reagiert anders. Er beugt sich seinerseits zu Chrestopoulos vor und fragt mit einer gewissen Gier und sehr leise: »Worauf gründen Sie Ihre Behauptung?«
    Ich finde meine Position unbequem und lächerlich, weil sich die beiden zu meiner Rechten und zu meiner Linken sitzenden Männer in Höhe meines Magens miteinander unterhalten.
    »Auf meine Intuition«, antwortet Chrestopoulos.
    »Ihre Intuition?« Caramans nimmt mit verächtlichem Flunsch wieder seine sitzende Haltung ein.
    Ich sehe Chrestopoulos’ Hängebacken zurückweichen. Auch er richtet sich wieder auf, sieht Caramans vorwurfsvoll an und sagt in seinem unbeholfenen, fehlerhaften Englisch mit großer Leidenschaftlichkeit:
    »Machen Sie sich nicht über meine Intuition lustig. Wenn ich nicht gelernt hätte, die Leute auf den ersten Blick einzustufen, hätte ich nicht überlebt.«
    »Und stufen Sie mich ebenfalls ein?« fragt Caramans mit seinem irritierenden Flunsch.
    »Aber gewiß«, sagt Chrestopoulos. »Sie sind ein französischer Diplomat, der in offizieller Mission nach Madrapour reist.«
    »Ich bin kein Diplomat«, sagt Caramans trocken.
    Chrestopoulos lächelt mit verhaltenem Triumph, und auch ich bin sicher, daß er ins Schwarze getroffen hat. Caramans macht sich wieder an seine Lektüre von
Le Monde
, was Chrestopoulos jedoch nicht stört. Liebenswürdig sagt er:
    »Ich habe Sie jedenfalls gewarnt. Dieser Kerl hat wahrscheinlich die Taschen voll Wanzen.«
    »Ich habe Sie um nichts gebeten«, sagt Caramans mit spitzen Lippen, ohne von seiner Zeitung aufzublicken. »Was soll diese Warnung?«
    »Ich erweise gern kleine Gefälligkeiten«, sagt Chrestopoulos, wobei ein breites Lächeln seine beiden Hängebacken auseinanderzieht. »Und gelegentlich lasse ich mir gern auch welche erweisen.«
    Er hebt seinen dicken Hintern aus Blavatskis Sessel und geht an seinen Platz zurück, in eine Wolke von Knoblauchgeruch und Patschuli gehüllt.
    Chrestopoulos und seine Bemerkungen sind vergessen: die Stewardess erscheint an der Tür zur Bordküche, das Wägelchen mit dem Abendbrot vor sich her schiebend. So ausgeglichen sie bisher war, so bleich ist sie jetzt, ihre Unterlippe zittert. Trotz meiner Bemühungen, ihren Blick aufzufangen, sieht sie nicht zu mir her. Auch sonst zu keinem.
    Die Stewardess bleibt mit dem Wägelchen in der Mitte des Runds stehen und teilt die Tabletts aus. Sie werden in die Armlehnen der Sitze eingeklinkt, was ich nicht mag: ich komme mir wie ein Gefangener vor. Die Stewardess hat mit Blavatski zu meiner Rechten begonnen, ich werde also der letzte sein. Die Augen auf sie geheftet, erwarte ich mit Ungeduld, daß sie zu mir kommt, nicht weil ich Hunger habe

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