Madrapour - Merle, R: Madrapour
während er wieder demonstrativ seine verächtliche Grimasse schneidet.
»Und ob! Und ob es ungesetzlich ist!« Blavatski lächelt gutgelaunt mit seinen kräftigen weißen Zähnen und wechselt übergangslos vom zynischen zum moralisierenden Ton. »Aber ich ziehe es vor, im Kampf gegen das Rauschgift der Gesetzlichkeit ein paar Stiche mit dem Taschenmesser zu versetzen, als Waffen an ein unterentwickeltes Volk zu verkaufen.«
Caramans runzelt die Brauen und zieht den rechten Mundwinkel hoch.
»Sie wollen sagen, daß die Vereinigten Staaten keine Waffen an unterentwickelte Völker verkaufen?«
»Ich weiß genau, was ich sagen will«, entgegnet Blavatski.
Der Ton zwischen den beiden Männern ist plötzlich so unerfreulich geworden, daß ich beschließe einzugreifen. Ich kann es mir leisten, weil die beiden – Caramans links und Blavatski rechts von mir – gleichsam über meinen Kopf hinweg die Kugeln wechseln.
»Meine Herren«, sage ich mit neutraler Stimme, »sollten wir diese Diskussion nicht lieber beenden?«
Aber Caramans kocht vor verhaltenem Zorn, obwohl er sehr ruhig wirkt. Er sagt leise und zähneknirschend: »Sie haben sich verraten, Blavatski. Sie sind nicht Angehöriger des
Narcotic Bureau
.«
Wie mir scheint, kommt das indische Paar in Bewegung. Aber das ist nur mein flüchtiger Eindruck, denn ich sehe in diesem Moment Blavatski an. Was für ein erstaunliches Gesicht! Alles Abwehr und Tarnung. Der Helmbusch seines Kopfhaars, seine dicken Brillengläser, die kein feindlicher Blick zu durchdringen vermag, und schließlich seine kräftigen weißen Zähne, die seinen Mund wie eine Panzerung verschließen. Ich gebe mich im übrigen keiner Täuschung hin. Im Schutze dieser Befestigung ist alles Angriff und Aggression der Blick, das Lachen, die Sprache, die arrogante Haltung und erstaunlicherweise auch die Aufgeräumtheit. Denn dieser massige Mann mit dem harten Blick besitzt gleichzeitig Charme. Und er setzt ihn bald für, bald gegen seinen Gesprächspartner ein.
»Langsam, langsam, Caramans«, sagt Blavatski und zeigt seine kräftigen Zähne, während die kleinen grauen Augen hinter der Brille funkeln, »Sie müssen nicht alles glauben, was Chrestopoulos Ihnen über mich gesagt hat! Dieser alte Halunke bildet sich ein, daß Sie gute Beziehungen zur PRM, zur Provisorischen Regierung von Madrapour, haben, und bemüht sich um Ihre Protektion. Ich habe mit dem CIA wirklich nichts zu schaffen. Natürlich«, fährt er fort und kneift die Augen zusammen, »mußte ich Erkundungen über meine Reisegefährten einziehen, was nicht schwierig war; dies ist eine Chartermaschine, meines Wissens die erste auf der Route Madrapour.«
Caramans gibt keine Antwort. Wenn ein Diplomat schweigt, hat es den Anschein, als ob er doppelt schwiege. Caramans greift nicht wieder nach
Le Monde
, die auf seinen Knien liegt. Er sitzt regungslos da, hält die Augen gesenkt, als betrachtete er seine Nase, und zeigt sich Blavatski in seinem strengen, geleckten Profil, das Haar frisch geschnitten und tadellos frisiert. Mir fällt auf, daß sein rechter Mundwinkel sogar im Ruhezustand leicht nach oben gezogen ist, als wäre sein Verachtung ausdrückender Tick nach und nach erstarrt.
Caramans bedauert sichtlich, zuviel gesagt zu haben, und er muß Gründe haben für seinen Wunsch, Blavatski möge nicht noch mehr auspacken. Aber Blavatski, das spüre ich, gedenkt nicht zu schweigen. Nach meinem anfänglichen Erstaunen, daß ein angeblicher Geheimagent in der Öffentlichkeit so viele Indiskretionen begeht, frage ich mich allmählich, ob das alles nicht Berechnung ist. Und ich bin dessen sicher, als Blavatski mit seiner schleppenden Stimme und gespielter Unschuldsmiene fortfährt.
»Glauben Sie mir, Caramans, ich habe mit dem CIA nichts zu schaffen. Ich interessiere mich nur für Rauschgift. Und Ihre Erdölgeschichten, Ihre Waffengeschäfte und Ihr tatsächlicher oder mutmaßlicher Einfluß auf die PRM, das schert mich den Teufel.«
Caramans springt auf, wirft rasch einen angstvollen Blick auf die übrigen Passagiere und sagt mit zusammengepreßten Lippen: »Jedenfalls vielen Dank, daß Sie soviel Reklame für mich machen.«
Blavatski bricht in kindlich-naives Lachen aus, doch dahinter verbirgt sich ein Frohlocken, das nach meinem Empfinden alles andere als liebenswürdig ist. Caramans vertieft sich aufs neue in
Le Monde
. Sein Gesicht ist durch die Anstrengung, sich zu beherrschen, versteinert. Der Zwischenfall ist erledigt, zumindest hat
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