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Madrapour - Merle, R: Madrapour

Madrapour - Merle, R: Madrapour

Titel: Madrapour - Merle, R: Madrapour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Menschlichkeit durch sein Verbrechen erstickt worden wäre.
     
    Wir hofften, nach dieser aufregenden Mahlzeit in Ruhe den mittelmäßigen, aber stärkenden Kaffee genießen zu können, den die Stewardess uns serviert. Aber wir haben nicht den Eifer der Murzec einkalkuliert. Sie beugt sich zu Blavatski vor.
    »Monsieur, Sie lassen es gegenüber Monsieur Chrestopoulos abermals an Barmherzigkeit fehlen. Und Ihre Unterstellung bezüglich seiner Reise nach Madrapour ist um so absurder, als es jetzt völlig ausgeschlossen ist, daß wir jemals in Madrapour ankommen.«
    »Ausgeschlossen?« fragt Blavatski mit unverhohlener Ironie und einer Gereiztheit, die zu verbergen er sich nicht einmal die Mühe gibt. »Völlig ausgeschlossen? Das ist eine wichtige Nachricht, Madame! Es wäre angebracht, daß Sie uns sagen, woher Sie die haben!«
    »Ich habe nachgedacht«, erwidert die Murzec.
    Sie sucht in ihrer Handtasche – nicht wild drauflos, wie Michou getan haben würde, sondern so systematisch wie möglich, um die Gegenstände nicht durcheinanderzubringen –, holt ein mit Wildleder bezogenes kleines Notizbuch heraus, blättert darin und sagt:
    »Ich habe hier den Plan der Linienflüge nach New Delhi. Um 11.30 Uhr fliegt eine Maschine in Paris ab. Erste Zwischenlandung: Athen, 15.30 Uhr. Abflug aus Athen: 16.30 Uhr. Zweite Zwischenlandung: Abu Dhabi. Am Persischen Golf«, fügt sie nach kurzer Überlegung hinzu.
    »Danke, das ist mir bekannt«, sagt Caramans steif.
    Aber die Murzec beachtet den Einwurf nicht. Sie geht ganz in ihrer Berechnung auf.
    »Ankunft in Abu Dhabi: 22.35 Uhr. Abflug aus Abu Dhabi: 23.50 Uhr. Und schließlich Ankunft in New Delhi: 4.20 Uhr am darauffolgenden Morgen.«
    »Was schließen Sie daraus?« fragt Blavatski herausfordernd.
    »Rechnen Sie doch selbst nach«, antwortet die Murzec. »Von Paris nach Athen sind es vier Flugstunden. Sechs Flugstunden von Athen nach Abu Dhabi. Und viereinhalb Stunden von Abu Dhabi nach New Delhi.«
    »Und?« fragt Blavatski ungeduldig.
    Die Murzec sieht ihn mit ihren blauen Augen fest an.
    »Wir sind weder in Athen noch in Abu Dhabi zwischengelandet«, sagt sie ruhig, »und wenn die Chartermaschine demselben Zeitplan und derselben Route wie das Linienflugzeug folgt, was naheliegt, müßten wir bereits in New Delhi sein. Stimmt das, Mademoiselle?« fragt sie und wendet sich unvermittelt an die Stewardess. »Sie müßten es uns sagen können, da Sie bereits auf dieser Strecke geflogen sind.«
    »Es stimmt«, antwortet die Stewardess.
    Die Hände brav über den Knien verschränkt, setzt sie dem kein einziges Wort hinzu. Aber sie stößt einen leichten Seufzer aus und sieht der Murzec mit ihren grünen Augen vorwurfsvoll ins Gesicht.

KAPITEL 12
    Madame Murzec hätte hinzufügen können, daß die Chartermaschine beim Aufsetzen in der Nacht zuvor ganz gewiß nicht auf dem Flughafen von Athen gelandet war; daß es sich um einen behelfsmäßigen Landeplatz am Ufer eines Sees gehandelt hatte; daß in Griechenland niemals eine solche sibirische Kälte herrscht, wie sie uns lähmte, nachdem der Exit geöffnet worden war. Nichts von alledem hätte die Gemüter bewegt. So dienlich ihre Bemerkungen der Sache sind, sie fallen ins Leere. Niemand aus der Mehrheit geht darauf ein oder scheint sich dafür auch nur zu interessieren.
    Bestenfalls wechselt Caramans mit Blavatski einen Blick, der ebenso deutlich wie Worte besagt: diese verrückte Alte sollte lieber im Cockpit ihre Gebete verrichten, anstatt uns Belehrungen zu erteilen. Kurzum, getreu ihrer Strategie des sanften Ruhekissens läßt die Mehrheit die Aufrüttelungsversuche der Minderheit schweigend verhallen.
    Das System beruht auf einer bequemen List. Alles, was wir über die Situation zu sagen hätten, ist bedeutungslos, da unsere Bemerkungen von vornherein durch ihre Urheber diskreditiert sind: Robbie ist ein exzentrisches Jüngelchen mit lackierten Zehennägeln, gänzlich der Päderastie und der Paradoxie verfallen (im Grunde zwei Seiten derselben Perversion); die Murzec erwiesenermaßen eine Neuropathin, die unter Mythomanie und mystischem Wahn leidet; Sergius ein Sonderling, wie kann es anders sein, wenn er sich auf den ersten Blick in ein dreißig Jahre jüngeres Mädchen verliebt; und die Stewardess schließlich, zieht man ihr die Uniform aus, eine gewöhnliche Kellnerin mit dem entsprechenden geistigen Horizont: wenn sie nichts sagt, so deshalb, weil sie nicht denkt.
    Dieses Desinteresse der Mehrheit ist sehr

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