Madrapour - Merle, R: Madrapour
»beschuldigen Sie Monsieur Chrestopoulos, falschgespielt zu haben?«
»Ich habe keinen Beweis dafür, aber ich halte es für wahrscheinlich«, sagt Pacaud.
»Weil ich Grieche bin!« sagt Chrestopoulos, die Augen zum Himmel erhoben, zwischen Entrüstung und Wehklagen hin und her gerissen. Aber ein so guter Schauspieler er ist, mißbraucht er doch zu unverschämt unsere antirassistischen Empfindungen für seine Zwecke.
Er will darin schon fortfahren, den Finger erneut auf die Wunde legen, als Bouchoix seine abgezehrte Hand hochhält; seine Lider heben sich in den eingesunkenen Augenhöhlen, und er sagt mit außerordentlich dünner Stimme:
»Er … hat nicht … falschgespielt. Ich habe ihn … aus der Nähe … überwacht. Und es sind … meine Karten … nicht irgendwelche.«
Daraufhin wendet er langsam den Kopf, sieht Pacaud mit einem von schwärzester Tücke geprägten Lächeln an und schließt die Augen. Das Lächeln erstarrt auf seinem Totenschädel zu einem Grinsen. Unheimlich. Ein Schweigen besonderer Art lastet auf uns, als hätte ein Hauch der Hölle unsere Gesichter gestreift. Nicht daß ich glaube, die Hölle befände sich außerhalb des Menschen. Im Gegenteil, ich bin sicher, im Falle Bouchoix’ ist sie sehr verinnerlicht – der nagende Haß auf seinen Schwager hat zu seiner eigenen Zerstörung geführt und nach und nach seine Lebenskraft aufgezehrt.
»Wenn Monsieur Chrestopoulos nicht falschgespielt hat, müssen Sie, Monsieur Pacaud, sich bei ihm entschuldigen«, sagt Blavatski und vergißt, daß er selbst zu Beginn der Partie die Ehrlichkeit des Griechen angezweifelt hatte.
»Ich mich entschuldigen bei diesem … diesem …« Pacaud beendet seinen Satz nicht, denn bei aller Wut ist ihm wenig daran gelegen, sich erneut ins Unrecht zu setzen.
»Ich kann auf die Entschuldigung Monsieur Pacauds verzichten«, sagt Chrestopoulos, an uns alle gewandt. Er spricht mit einem würdevollen Ausdruck, wie wir ihn nie zuvor an ihm gesehen haben und der in dem Moment in sein Gesicht trat, als Bouchoix ihm ein Ehrlichkeitszeugnis ausstellte. Das Toilettenpapier schwenkend, fährt er fort: »Hingegen wünsche ich, daß Monsieur Pacaud öffentlich seine Schulden anerkennt:10 000 Schweizer Franken, die ich ihm bei einem ehrlichen Spiel abgewonnen habe, und 8 000 Franken, die ich von Monsieur Bouchoix bekomme! Insgesamt wie gesagt: 18 000.«
»Aber warum soll Monsieur Pacaud die Schulden von Monsieur Bouchoix bezahlen?« fragt Mrs. Banister mit einer graziösen Wendung ihres langen Halses und legt versehentlich ihre Hand auf Manzonis Hand. Gleichzeitig sieht sie ihn mit einem fragenden hilflosen Blick an, als ob die schwierigen Geschäfte der Männer ihr schwaches weibliches Begriffsvermögen überstiegen.
»Weil doch Monsieur Pacaud die Scheine unterschrieben hat«, erwidert Manzoni mit einem so gönnerhaften Geckenlächeln, daß ich im Hinblick auf die Zukunft Mitleid mit ihm bekomme. »Es versteht sich von selbst, daß Monsieur Pacaud jederzeit seine Außenstände bei Monsieur Bouchoix einziehen kann«, fügt er ohne allzuviel Takt hinzu.
Wir sehen fasziniert, wie sich Bouchoix’ Totenkopf ein zweites Mal belebt. Was an Haut und Muskeln verblieben ist, verzieht sich erneut zu einem Lächeln voller Boshaftigkeit. Der Haß auf seinen Schwager hatte ihn verzehrt, sagte ich: offensichtlich hält er ihn in diesem Stadium am Leben, da der Sterbende noch die Kraft findet, sich bei dem Gedanken an den Verlust, den Pacaud durch ihn erleidet, zu freuen. Denn das Schreckliche daran ist ohne Zweifel, daß Pacaud kein Kartenspieler ist und nur aus Freundlichkeit in dieses Spiel eingewilligt hat.
»Also, mein Herr, schlagen Sie sich das aus dem Kopf!« sagt Pacaud, die Stimme hebend, mit einer ausladenden Armbewegung, als wollte er das Toilettenpapier, das sein Widersacher ihm entgegenstreckt, ins Nichts zurückstoßen. »Sie können gewiß sein, Monsieur Chrestopoulos, daß ich mich von Ihnen nicht prellen lasse! Sie bekommen von mir nichts! Nichts! Keinen Sou! Keinen Cent! Keinen Penny! Und dieses Papier können Sie seinem Verwendungszweck zuführen!«
»Genial!« sagt Michou lachend.
Aber ihr Lachen bricht unvermittelt ab, weil keiner einstimmt.
»Sie sollten sich diese Ausfälle sparen«, sagt Chrestopoulos mit jenem würdigen Gesichtsausdruck, der auf die Dauer immer weniger überzeugt. »Sie schulden mir 18 000 SchweizerFranken, Monsieur Pacaud, und wenn Sie nicht zahlen, bringe ich Sie vor
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