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Madrapour - Merle, R: Madrapour

Madrapour - Merle, R: Madrapour

Titel: Madrapour - Merle, R: Madrapour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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triumphierend, »können Sie uns nicht wirklich sagen, ob Sie einen See, einen Fluß, einen Teich oder eine einfache Pfütze gesehen haben …«
    Schadenfrohes Gekicher im Kreis. Anscheinend hat die Mehrheit nichts Eiligeres zu tun, als den Schluß zu ziehen, daß Caramans die Murzec im Interesse der Allgemeinheit mundtot gemacht hat.
    »Aber das ist doch idiotisch!« protestiert Robbie. »Es ist unwichtig, ob Madame Murzec einen See, einen Fluß oder einen Teich gesehen hat! Wichtig ist, daß sie den Ort unserer ersten Zwischenlandung wiedererkannt hat!«
    »Und wie soll sie ihn wiedererkannt haben, wenn sie ihn so ungenau beschreibt?« kontert Caramans.
    Abermals schadenfrohes Gelächter. Gott sei Dank, die Mehrheit entlarvt die falschen Propheten und hört wieder auf die guten Hirten: Blavatski und Caramans. Der gesunde Menschenverstand und die Dialektik. Der zornige Skeptizismus und das spitzfindige Räsonieren.
    Sichtlich kommt neue Hoffnung auf. Eine unendlich bescheidene Hoffnung, die sich mit dem Gedanken begnügt, daß das Flugzeug vielleicht doch nicht dorthin zurückgekehrt ist, wo es am Abend zuvor gelandet war.
    Gewiß, der Kreis hat einen der Seinigen verloren, alle zittern vor Kälte. Wenn die Chartermaschine wieder abhebt, weiß niemand, wohin sie fliegt noch wer sie lenkt. Der Kreis kennt weder das Wie noch das Warum. Und doch schöpft er langsamwieder Mut – sowenig es auch sei. Er braucht nicht viel! Ein klein, ein ganz klein wenig Hoffnung, daß man wenigstens nicht im Kreis fliegt …
    Ich will hier nicht prahlen. Und ich werfe nicht den Stein auf die Mehrheit. Ich selbst, der ich glaubte, Bouchoix im Abstand von knapp einem Tag zu folgen, ich brauchte von der näselnden Stimme nur zu hören, daß meine Krankheit ein »Irrtum« sei, und mir eine Droge verordnen zu lassen, um mich sofort für gesund zu halten.
     
    In ebendiesem Augenblick schaltet sich die Stewardess ein und setzt den Kreis – Mehrheit und Minderheit – in Erstaunen, weil ihre Worte so völlig im Gegensatz zu ihrer bislang stets beschwichtigenden Rolle zu stehen scheinen.
    »Madame Murzec hat recht: sie hat tatsächlich einen See gesehen«, sagt sie mit sanfter Stimme.
    Ich wende ihr den Kopf zu, aber ich kann ihre Züge nicht erkennen, es ist viel zu dunkel.
    »Woher wissen Sie das?« fragt Blavatski barsch.
    »Weil ich ihn selbst gesehen habe«, erwidert die Stewardess ruhig.
    »Sie haben ihn gesehen!« sagt Blavatski. »Und wann?« fügt er beinahe drohend hinzu. »Darf ich Ihnen diese Frage stellen?« (Die Höflichkeitsformel will erstaunlich wenig zu dem eingeschlagenen Ton passen.)
    »In dem Augenblick, als ich den Exit öffnete. Ich habe alles gesehen, was Madame Murzec beschrieben hat: den See, den Quai, das Boot.«
    Langes Schweigen. Als wäre er der einzige, der einen vernünftigen Gedanken fassen kann, sagt Caramans: »Daraus folgt aber nicht, daß es derselbe Ort sein muß, an dem das Flugzeug gestern abend das indische Paar abgesetzt hat.«
    »Das weiß ich nicht«, antwortet die Stewardess ruhig. »Es war stockdunkel, als die Inder ausgestiegen sind.«
    »Aber Madame Murzec, die hat etwas gesehen«, höhnt Blavatski.
    »Selbstverständlich«, sagt die Murzec, »weil nämlich der Inder seinen Weg mit einer Taschenlampe beleuchtete, die er der Stewardess abgenommen hatte.«
    »Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß die Stewardessnichts gesehen hat!« ruft Blavatski in fast beleidigendem Ton.
    »Aber das widerspricht doch nicht dem, was Madame Murzec sagt«, entgegnet die Stewardess lebhaft. »Ich habe nichts gesehen, weil in dem Augenblick, als ich den Exit wieder zumachte, der Inder meine Taschenlampe noch nicht eingeschaltet hatte.«
    »Nichts beweist, daß er die Lampe überhaupt mitgenommen hat!« sagt Blavatski.
    »Doch! Ich weiß es!« antwortet die Stewardess. »Als der Inder das Flugzeug verließ, hielt er sie in seiner linken Hand und die Kunstledertasche in der rechten.«
    »Ich bitte Sie um Verzeihung«, sagt Caramans, offensichtlich sehr froh darüber, sie bei einem Irrtum zu ertappen. »Die Frau war es, die die schwarze Tasche trug!«
    »Ja, aber der Inder hat sie ihr nach dem Zwischenfall mit Monsieur Chrestopoulos aus der Hand genommen.«
    »Ich habe nichts dergleichen bemerkt«, sagt Caramans.
    »Aber ich habe es bemerkt«, sagt die Stewardess. »Ich habe die Hände des Inders nicht aus den Augen gelassen. Ich habe bis zum letzten Augenblick gehofft, daß er mir die Taschenlampe wiedergeben

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