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Madrapour - Merle, R: Madrapour

Madrapour - Merle, R: Madrapour

Titel: Madrapour - Merle, R: Madrapour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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aber so ostentativ in den Hüften, daß alle Männer im rechten Halbkreis, der Inder ausgenommen, ihr nachstarren. Das enganliegende grüne Kleid mit seinem großen schwarzen Rankenmuster ist nicht ohne Berechnung gewählt: am Rückenansatz zwei großflächige Motive, deren dekorativer Effekt durch die Bewegung unterstrichen wird. Diesen Motiven folgen wir mit den Augen.
    Kaum hat der Vorhang sie unseren Blicken entzogen, verläßt Pacaud seinen Platz, durchquert den Kreis und setzt sich in den Sessel von Madame Edmonde. Auf seine burschikose, naive Art versucht er, Michou zu trösten und – was vielleicht unbesonnen ist – ihr wieder Hoffnung zu machen.
    Zwar ist Pacaud in seinen Argumenten nicht besonders geschickt, er zeigt aber wie ein tolpatschiger Hund den allerbesten Willen, und wir finden seine väterlichen Gefühle rührend. Deshalb versteht niemand die Brutalität Madame Edmondes, dieihn, als sie wieder in der Runde auftaucht, mit funkelnden Augen anherrscht.
    »Räumen Sie bitte meinen Platz. Ich denke nicht daran, mich auf Ihren zu setzen.«
    Pacaud wird rot, fügt sich aber zu meinem großen Erstaunen. Er steht auf und geht mit abgewandtem Kopf wortlos an seinen Platz zurück. Ich wundere mich, daß dieser so erregbare, eitle Mann eine derartige Abfuhr widerspruchslos einsteckt, und ich habe plötzlich den Eindruck, daß Madame Edmonde und Pacaud sich kennen und daß Pacaud aus ganz bestimmten Gründen nicht die geringste Lust hat, sich mit ihr anzulegen.
    An dieser Stelle wäre nun endlich etwas über Madame Edmonde zu sagen.
    Rein äußerlich hat sie so manches aufzuweisen, o ja! Sie ist groß, blond, hat eine gute Figur – ein voller Busen, der keines Büstenhalters bedarf und den sie permanent in Szene zu setzen weiß. Mit verschleiertem Blick und halboffenem Mund fixiert sie die anwesenden Männer, als ob ihr allein schon bei deren Anblick das Wasser im Munde zusammenliefe. Im übrigen spielt sie viel mit ihrem Mund, und wenn sie einen ansieht, mit der Zunge über die halbgeöffneten Lippen fahrend, bildet man sich ein, ihr nächster Leckerbissen zu werden.
    Ich habe in Madame Edmonde zuerst eine harmlose Nymphomanin gesehen, aber etwas Hartes, Metallisches in ihrem Blick brachte mich darauf, daß sich hinter ihrem zur Schau gestellten Sex das Kommerzielle verbirgt: in jeglicher Hinsicht entgegenkommend, aber nicht aus reiner Liebenswürdigkeit.
    Ihr Kleid mit den so gut plazierten Ranken verhehlt nichts von der Festigkeit ihrer Brüste und ihrer unvorstellbar erektilen Brustwarzen. Großzügig entblößt sie auch ihre Beine.
    Man fragt sich, warum diese Beine so wohlproportioniert sind, obwohl sie zum Gehen und Laufen so wenig benutzt werden. Ich zögere trotzdem, darin eine Gottesgabe zu sehen. Denn eine solche teilt man mit vollen Händen aus, Madame Edmonde aber ist auf ihren Vorteil bedacht, wie mir scheint. Seit ich in meinem Sessel Platz genommen, hat sie, von Pacaud abgesehen, fast allen anwesenden Herren mit Augen und Mund zugesprochen. Daß sie Pacaud davon ausschloß, hat mich stutzig gemacht, noch bevor sie ihn so angeherrscht hat; das um so mehr, als sich der Blick des Kahlköpfigen keine Sekunde zu MadameEdmonde verirrte. Und sie sticht weiß Gott ins Auge! Selbst Caramans ist ihr ein- oder zweimal beinahe auf den Leim gegangen, obwohl er gegen diese Art Versuchung so gut gewappnet zu sein scheint.
     
    Nach einem letzten Blick auf die Stewardess – aber sie sitzt regungslos da, die Lider gesenkt, die Hände auf den Knien – schließe ich die Augen und muß wohl eingeschlummert sein, denn ich bin mitten in einem Traum.
    Ich will ihn nicht erzählen, zumindest nicht die Einzelheiten. Er dreht sich in Variationen um ein einziges Thema: den Verlust.
    Ich bin auf einem Bahnhof, ich stelle meinen Koffer ab, um eine Fahrkarte zu lösen. Ich drehe mich um. Mein Koffer ist verschwunden.
    Die Szene wechselt. Ich irre durch das Parkhaus an der Pariser Madeleine: ich weiß nicht mehr, wo ich meinen Wagen geparkt habe. Ich suche alle unterirdischen Etagen ab. Ich finde ihn nicht.
    Ich gehe mit der Stewardess im Wald von Rambouillet spazieren. Das Farnkraut steht sehr hoch. Ich gehe voraus, ihr einen Weg zu bahnen. Ich drehe mich um. Sie ist nicht mehr da. Ich rufe sie. Mit Einbruch der Nacht wird es neblig. Ich rufe immer noch. Ich kehre um. Zwei- oder dreimal erspähe ich zwischen den Bäumen ihre Silhouette. Jedesmal laufe ich los. Doch ihre Silhouette weicht zurück, wenn ich mich ihr

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