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Madrapour - Merle, R: Madrapour

Madrapour - Merle, R: Madrapour

Titel: Madrapour - Merle, R: Madrapour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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sondern daß sich Pacaud, immerhin der Chef eines ziemlich bedeutenden Unternehmens, auf dieses Abenteuer eingelassen hat, obwohl nur so spärliche Informationen vorlagen. Es sei denn, er wollte sich auf Kosten der Firma
on the sly
1 eine kleine Reise nach Indien genehmigen. Aber warum läßt er sich dann von Bouchoix begleiten, der seine rechte Hand und gleichzeitig sein Mentor zu sein scheint?
    Im übrigen ist dieser Bouchoix eigenartig. Er hüllt sich indas rätselhafte Schweigen der bedeutungslosen Menschen. Nichts, was ins Auge fiele, bis auf seine Magerkeit. Kein Ausdruck in seinen leeren Augen. Und kein besonderes Merkmal, außer seiner Manie, endlos an einem Spiel Karten herumzufingern. Äußerlich zumindest ein durchschnittliches Wesen, grau, austauschbar; unmöglich, ihn irgendeinem menschlichen Typ zuzuordnen. Ich spreche von Typ, nicht von einer Berufskategorie, denn diesbezüglich ist es einfach, ihn zu klassifizieren: Bouchoix ist ein höherer Kader. Pacaud hat ihn als seine rechte Hand vorgestellt, und diese rechte Hand muß nach dreißigjähriger Tätigkeit im Dienste der Firma darauf getrimmt sein, nicht zu bemerken, was die linke tut. Bouchoix ist offenbar der seltene Vogel, den die Unternehmer immer suchen: ein mit differenzierender Ehrlichkeit begabter Mensch, der seinen Chef um keinen Pfennig betrügt, ihm aber nach Kräften hilft, die Kunden einzuseifen. So wenigstens sehe ich Bouchoix, Pacaud und ihre gegenseitigen Beziehungen im selben Unternehmen.
    Aber selbstverständlich kann ich mich irren. Monsieur Pacaud ist möglicherweise ein Industrieller von krankhafter Redlichkeit, dessen Geschäftsunkosten das Finanzamt nie anzufechten brauchte. Im übrigen trägt er das Band der Ehrenlegion und das Abzeichen des Rotary Club im Knopfloch. Also ein mit Ehrungen überhäufter Mann, dessen Respektabilität zweifach garantiert ist.
    Blavatski macht sich in seinem Sessel breit und beobachtet, die Augen hinter seinen dicken Brillengläsern halb geschlossen, abwechselnd Pacaud und Caramans. Ich weiß nicht, warum er mir in diesem Moment wie ein riesiger Kater erscheint, der auf der Lauer liegt.
    »Es gibt aber durchaus eine Möglichkeit, Mr. Pacaud«, fährt er fort. (Ich vermerke, daß er ihn
Mister
Pacaud nennt, während er mir gegenüber die Stirn hat, mich mit Sergius anzusprechen.) »Es gibt durchaus eine Möglichkeit, Ihr Holz zu transportieren, sofern sich Madrapour wirklich dort befindet, wo es dem Hörensagen nach liegen soll. Es gibt den Wasserweg über den Brahmaputra, dann über den Ganges zum Golf von Bengalen.«
    »Na also, wer sollte mir den verwehren?« In Pacauds Augen zeigt sich ein Hoffnungsschimmer.
    Blavatski sieht ihn aufgeräumt an.
    »Indien natürlich«, sagt er. »Und das gleiche gilt für das Erdöl«, fährt er mit einem Seitenblick auf Caramans fort.
    »Indien?« fragt Pacaud.
    »Der Brahmaputra, der Ganges, der Golf von Bengalen, das ist Indien«, sagt Blavatski belehrend, »und ich wüßte nicht, warum Indien es hinnehmen sollte, daß die Rohstoffe eines Staates, den es bestenfalls als ein rebellierendes Protektorat betrachtet, über sein Territorium außer Landes gebracht werden.«
    Schweigen. Caramans ist wieder in
Le Monde
vertieft – zumindest tut er so – und versagt sich jeden Kommentar. Pacaud ist offensichtlich zu niedergeschmettert, um zu reagieren. Und Blavatski hätte unangefochten das Feld behauptet, wäre nicht Mrs. Banister mit der bemerkenswerten Sicherheit, die sie ihrer Abstammung verdankt, eingeschritten.
    »Monsieur Blavatski«, sagt sie munter, während sie ihren eleganten Hals zur Seite neigt und ihren ganzen Charme entfaltet (aber dies gilt Blavatski nur am Rande: ihr Vorzugsobjekt ist dasselbe geblieben), »Sie haben sich zwei- oder dreimal in einer Weise geäußert, als ob Sie nicht an die Existenz von Madrapour glaubten.«
    »Ich glaube daran in Maßen, Mrs. Banister«, sagt Blavatski und spielt ein wenig den Mann von Welt, eine Rolle, die nicht sehr zu ihm paßt. Nicht daß er außerstande wäre, die guten Manieren zu kopieren, aber diese Rolle ist nicht mit der Aggressivität vereinbar, für die er sich entschieden hat.
    Im übrigen entzieht er sich sofort dem Florett von Mrs. Banister und sucht sich, erneut zur Streitaxt greifend, einen anderen Gegner.
    »Dabei habe ich schon große Fortschritte gemacht«, sagt er mit leisem Auflachen. »Vor kurzem noch hielt ich die PRM für eine reine Erfindung des Quai d’Orsay.«
    Bei diesen Worten blickt

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