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Madrapour - Merle, R: Madrapour

Madrapour - Merle, R: Madrapour

Titel: Madrapour - Merle, R: Madrapour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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sagt Mrs. Banister. »Glauben Sie mir, ein sexuelles Objekt zu sein ist nicht traurig für eine Frau, aber es niemals gewesen zu sein …«
    Die Murzec schweigt mit zusammengepreßten Lippen und abwesendem Blick. Als jedoch Mrs. Banister, berauscht von ihrem Triumph, sich zu Manzoni umdreht, begegnet sie seinem Blick nicht. Abgewendet, schweigend, hat er nur Augen für Michou.
    Da verlöschen die Kerzen der Komödie schlagartig, und in der eintretenden Stille bekommt Mrs. Banisters Gesicht nach so großer Anstrengung einen Ausdruck von Müdigkeit, der es älter macht. Obwohl sie es unter Kontrolle hält, um sich nicht zu verraten, schimmert Trauer in ihren schrägen Augen. Sie denkt gewiß an die Zeiten, da sie es nicht nötig hatte, soviel Aufwand zu treiben; da sie mit einem stupiden Buch auf den Knien dasitzen und lustlos idiotische Antworten geben konnte, ohne daß um sie herum die Begierde der Männer erlahmte.
     
    Im Augenblick sagt niemand ein Sterbenswörtchen. Aber das Schweigen wird nicht von Dauer sein, nachdem sich das Spiel der Sympathien und Antipathien in kurzer Zeit so lebhaft entwickelt hat. Ich nutze die Gelegenheit, die
viudas
zu beobachten und indiskreterweise ihrem halblauten Gespräch zuzuhören.
    Im Westen wimmelt es von Witwen, man achtet nicht mehr auf sie, so viele sind es. Dabei stellen sie ein sozialpsychisches Phänomen dar, das einer Untersuchung durchaus wert ist. Mir scheint, man sollte versuchen, das Geheimnis der Langlebigkeit der Frauen zu ergründen, die Ursachen ihrer unbezähmbaren Liebe zum Dasein und ihrer Fähigkeit, in Einsamkeit zu überleben. Die beiden ausschließlich mit sich selbst beschäftigten
viudas
vor mir sind die Verkörperung der Ausgeglichenheit.
    Allerdings hilft ihnen dabei das Geld. Es wäre interessant, zu wissen, was Mr. Boyd und Mr. Banister zu Lebzeiten getrieben und wie sie das ganze Geld verdient haben, das sie ihren Frauen hinterließen. Nach der Kleidung, dem Schmuck und den Reiseberichten (immer in Luxushotels) zu urteilen, müssen die Verstorbenen beiden ansehnliche Summen vermacht haben. Aber darüber und über die Herkunft des Geldes – vermutlich ist da manches anrüchig – kein Wort. Statt dessen sprechen beide gern über ihre Verwandtschaft; und berühmte Namen – die sie sich wie Losungsworte zuwerfen – ziehen sich durch ihre Gespräche.
    Sie sind nicht gleichaltrig. Mrs. Banister ist, den Lauf der Jahre nach Kräften bremsend, vielleicht bei Mitte Vierzig angekommen. Mrs. Boyd steht bereits in höherem Alter und hat anscheinend mit Hilfe kleiner Annehmlichkeiten, eines großen Komforts und einer unersättlichen Naschhaftigkeit einen ruhigenHafen gefunden. Die Naschhaftigkeit ist ihre Leidenschaft. Robbie würde sagen, daß unsere
viuda
damit einen Weg gefunden hat, ihre Leere auszufüllen.
    Wenn Mrs. Banister geruht, ihr das Wort zu lassen, schildert Mrs. Boyd fachmännisch in allen Einzelheiten sämtliche guten Mahlzeiten, die sie eingenommen hat: keine üppigen Gelage, sondern raffinierte kostspielige kleine Leckerbissen, mit zierlichen silbernen Gabeln an auserwählten Orten inmitten von Lakaienscharen genossen. Alle diese lieben Erinnerungen verhelfen Mrs. Boyd zu einem glücklichen Charakter. Mit ihrem schönen weißen Haar, der altmodischen Lockenfrisur, mit ihrem fleischigen Mund und ihrem Bäuchlein erweckt sie den Eindruck, mit der Welt ihren Frieden geschlossen zu haben. Und das hat sie tatsächlich getan. Zumal sie die beunruhigenden Ereignisse des Planeten nie bis zu ihrem Kokon vordringen läßt, weil sie »niemals liest, weder Bücher noch Zeitungen« (womit sie sich brüstet).
    Ihre Beziehungen zu Mrs. Banister sind sehr differenziert. Sie bewundert Mrs. Banister, beherrscht sie aber entgegen dem Anschein und läßt sie dabei gewähren. Sie bekennt sich zu einer konventionellen Moral, ist aber in Wirklichkeit entzückt, daß Mrs. Banister ihr Gesprächsstoff liefert: mit zunehmendem Alter ist ihr Interesse für Sex verbal geworden.
    Obwohl sie Landsleute sind, mögen Mrs. Boyd und Blavatski einander nicht. Von Anfang an bekundete sie ihm gegenüber eine demonstrative Kälte; Blavatski aber ist nicht der Mann, eine solche Brüskierung hinzunehmen.
    Außerdem verdrießen ihn die mondänen Reden unserer
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, und als Mrs. Boyd in einem bestimmten Tonfall ihre Bostoner Herkunft erwähnt, unterbricht Blavatski sie und sagt mit einem bewußt übertrieben vulgären Akzent: »Ich weiß, ich weiß. In Boston sprechen die Lodges

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