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Madrapour - Merle, R: Madrapour

Madrapour - Merle, R: Madrapour

Titel: Madrapour - Merle, R: Madrapour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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dann?«
    »Leider habe ich keine andere Wahl, Madame«, erwidert der Inder.
    Wieder Schweigen, und der Inder unternimmt nichts, es zu verkürzen; möglicherweise will er uns an unser Schicksal gewöhnen.
    Am erstaunlichsten dabei ist die Schönheit des indischen Paares. Beide sind groß, stattlich, haben rassige Gesichtszüge. Sie sind auch sehr elegant gekleidet. Der Mann sieht gleichsam wie ein britischer Caramans aus, nur trägt er nicht anthrazitfarbenen, sondern hellgrauen Flanell. Unter dem schillernden Sari der Frau zeichnen sich sehr weibliche Formen ab. Sie ist ausgesprochen füllig, aber daran stoßen sich die Weißen nicht bei einer farbigen Frau. Ganz im Gegenteil.
    Caramans hustet. Deutet er die Untätigkeit des Inders als Zögern? Ich weiß nicht, aber ich spüre, daß er versuchen wird, die Initiative zu ergreifen. Ich sehe ihn an. Alles in allem würde er, wenn er so wie der Inder gekleidet wäre, auch wie ein Brite wirken. Nur daß er völlig humorlos ist.
    »Ich halte es für meine Pflicht, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß die Entführung eines Flugzeuges mit schweren Strafen geahndet wird«, sagt er gewichtig.
    »Ich weiß, Monsieur, vielen Dank«, antwortet der Inder ernst, aber mit demselben Schimmer in den Augen.
    Wunderbar! Wenn man uns umbringt, dann geschieht es wenigstens durch die Hand eines vollendet höflichen Mörders.
    Allerdings muß ich sagen, daß mich vor allem die Frau in Schrecken versetzt. In den Augen des Inders ist außer hervorstechender Intelligenz ein bestimmter Grad von menschlicher Anteilnahme erkennbar. Aber die starren, glänzenden, leicht hervortretenden Augen der Frau, die mit fanatischem Haß auf uns gerichtet sind, jagen mir Schauer über den Rücken. Man hat den Eindruck, für die Frau wäre es mehr als eine Pflicht, das Magazin ihrer Waffe zu leeren: ein Vergnügen.
    “My dear!”
sagt Mrs. Boyd mit klagender Stimme zu Mrs. Banister. »Daß ausgerechnet mir so etwas zustoßen muß!«
    Hier grinst die Murzec. Ich wage zu behaupten, daß die Murzec keinerlei Angst empfindet, so sehr ist sie damit ausgefüllt, unsere Angst zu genießen.
    »Aber Margaret«, sagt Mrs. Banister gereizt, »Sie sind doch nicht als einzige betroffen! Das sehen Sie doch!«
    Nach diesen Worten lächelt sie dem Inder zu. Unsere Dame von Welt zittert nicht. Möglicherweise verbietet ihr das herzogliche Blut, Angst zu haben. Oder glaubt sie, auf Grund ihres Ranges nicht ernsthaft bedroht zu sein? Verdrängt sie ihre Angst, indem sie sich die in Grenzen gehaltenen Gewalttätigkeiten ausmalt, die der schöne Inder ihr antun könnte?
    Diese Empfindung scheint, mit unterschiedlichen Nuancen, im linken Halbkreis weit verbreitet zu sein. Madame Edmonde vervielfacht ihre Lockrufe mit Augen und Mund. Michou scheint seiner Faszination bereits ziemlich verfallen zu sein. Robbie ebenfalls.
    »Also, Monsieur, was sollen wir tun?« fragt Mrs. Boyd mit wehleidiger Miene, aber im Tonfall einer mondänen Plauderei.
    »Tun?« fragt der Inder mit gerunzelten Brauen.
    »Na ja, ich weiß nicht, die Hände heben?« Und um ihren rührend guten Willen zu beweisen, hebt Mrs. Boyd ihre rundlichen Hände. Es flimmert erneut in den Augen des Inders, und er sagt höflich:
    »Nehmen Sie die Hände runter, Madame, ich bitte Sie, das ist eine so anstrengende Haltung. Legen Sie die Hände gut sichtbar auf die Seitenlehnen Ihres Sessels. Das gilt für alle«, fügt er hinzu.
    Wir gehorchen. Unsere Wartezeit ist anscheinend zu Ende, aber ich weiß nicht, welchen Zweck sie erfüllt hat. Vielleicht wollte der Inder unsere Reaktionen abschätzen. In diesem Fallekann er beruhigt sein. Wir sind nicht zum Kämpfen aufgelegt. Nicht einmal Blavatski, der doch eine Waffe bei sich haben müßte! Daß Blavatski sein Eingreifen nicht für angebracht hielt, zeigt indessen, wie gefährlich dieses Paar ist.
    Obwohl meine Hände nicht mehr zittern, bemächtigt sich meiner eine ziemliche Bestürzung. Die Augen dieser Frau gefallen mir immer weniger. Sie sieht uns mit einer gierigen Grausamkeit an, die mich lähmt.
    Endlich setzt sich der Inder in Bewegung. Mit elastischem, hoheitsvollem Schritt nähert er sich der Stewardess und flüstert ihr ein paar Worte ins Ohr. Sie steht auf und postiert sich in etwa anderthalb Meter Entfernung vom Vorhang zur Bordküche (oder Pantry, wie sie selbst sagen würde). Die Inderin stellt sich hinter sie und hält sie, den Arm um ihren Hals gelegt, umklammert, nicht ohne Brutalität. Die Inderin ist so

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