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Madrapour - Merle, R: Madrapour

Madrapour - Merle, R: Madrapour

Titel: Madrapour - Merle, R: Madrapour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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nur mit den Cabots und die Cabots nur mit Gott!«
    Mrs. Boyd versucht, diese Bemerkung mit Verachtung zu parieren, doch ich glaube, es ist noch niemandem gelungen, Blavatski einzuschüchtern. Er wendet sich erneut mit schleppender Stimme an sein Gegenüber.
    »Und Sie, Mrs. Boyd, sind Sie eine Lodge oder eine Cabot?«
    »Weder das eine noch das andere«, antwortet Mrs. Boyd und bemüht sich, ihrem runden Gesicht Hoheit zu verleihen.»Schließlich gibt es in Boston außer den Lodges und den Cabots auch andere Familien.«
    Blavatski lacht.
    »Da bin ich aber froh!« sagt er. »Mir kam es wirklich zu traurig vor, daß der Herrgott in Boston nur eine Familie haben sollte, die ihm den Spucknapf hält.«
    Und er bricht in ungehobeltes Gelächter aus. Dabei gehört Blavatski zu denen, die von Mrs. Banisters Herkunft am meisten beeindruckt sind. Ich sehe darin keinen Widerspruch. Herzöge und Grafen, das geht für Europa an. Aber in den USA läßt man sich nicht von Leuten an die Wand drücken, deren einziges Verdienst es ist, dort früher als andere eingetroffen zu sein.
    Ich gebe Blavatski nicht unrecht. Mir gefällt es selbst nicht, wenn man mich in Großbritannien spüren läßt, daß ich ein Brite jüngsten Datums bin.
    Nach diesem kurzen Geplänkel zwischen Mrs. Boyd und Blavatski passiert zunächst gar nichts. Dann nimmt der Inder, mir gegenüber auf der anderen Seite des rechten Halbkreises, seinen Turban ab. Nicht daß er ihn abwickelt. Nein, er zieht ihn einfach vom Kopf. So wie man seinen Hut abnimmt. Nur daß er beide Hände dazu benutzt und den Kopf nach vorn neigt, als ob er sich an einem schweren Gegenstand zu schaffen machte. Dann legt er seine Kopfbedeckung behutsam auf seinen Schoß. Ich kann nicht sagen, aus welchem Stoff der Turban ist oder welche Farbe er hat. Mich verblüffen nur seine Größe, die Anstrengung, die es den Inder kostet, um ihn abzunehmen, und die peinliche Sorgfalt, die er darauf verwendet.

KAPITEL 5
    Im nächsten Moment erheben sich der Inder und seine Frau mit majestätischer Langsamkeit (beide sind sehr groß) und nehmen, das Gesicht uns zugewendet, hinter ihren Sitzen Aufstellung; zuvor hat der Mann seinen Turban auf seinen Sessel gelegt. Ihre Gesichter sind edel und ernst, so daß man meinen könnte, sie seien im Begriff, zu unserer Erbauung einen religiösen Gesang anzustimmen.
    Mrs. Boyd stößt einen Entsetzensschrei aus, und der Inder sagt höflich und in vollendetem Englisch:
    »Ich bitte Sie, haben Sie keine Angst. Ich habe nicht die Absicht zu schießen, zumindest nicht im Augenblick. Ich will das Flugzeug nur entführen.«
    Jetzt sehe ich, daß beide einen Revolver auf uns gerichtet halten. Meine Hände fangen an, leicht zu zittern. Seltsamerweise spüre ich aber in diesem Augenblick noch keine Angst: Mein Körper reagiert schneller als mein Verstand.
    Nein, was ich empfinde, ist eher Neugierde. Alle meine Sinne sind hellwach. Augen und Ohren gespannt, liege ich auf der Lauer. Äußerlich jedoch unterscheidet sich meine Haltung von der meiner Reisegefährten überhaupt nicht. Ich rühre mich nicht und bin wie erstarrt. Ich sehe in die runden Öffnungen der Revolverläufe und sage nichts, warte.
    Wir warten lange, denn offensichtlich hat der Inder keine Eile … Man hätte annehmen können, daß er nach seiner Erklärung mit Geschrei und dramatischen Gebärden ins Cockpit stürzen würde. Nichts dergleichen. Auch er rührt sich nicht, sieht uns mit seinen großen schwarzen Augen der Reihe nach stumm an und scheint zu meditieren. Übrigens scheint er, nach seinem Äußeren zu urteilen, eher für die Meditation als für die Aktion geschaffen.
    »Wie? Was? Was ist los?« fragt Pacaud und verdreht seine Augen.
    »Siehst du denn nicht, was los ist?« antwortet Blavatski auffranzösisch. Er muß früher im Quartier Latin verkehrt haben, denn in seiner Aufregung duzt er Pacaud, wie es unter Studenten üblich ist. Und er fährt fort: »Die Herrschaften dort halten ihre Kanonen auf uns gerichtet. Reicht dir das nicht? Brauchst du eine Zeichnung?«
    »Aber das ist ja schändlich! Schändlich«, sagt Mrs. Boyd im Tone moralischer Entrüstung und führt ihre rundlichen Hände zum Mund. »So etwas müßte verboten sein!«
    »Es
ist
verboten«, sagt der Inder sanft.
    Bei diesen Worten war kein Schatten eines Lächelns in seinem Gesicht, aber seine Augen funkelten.
    »Wenn Sie selbst zugeben, daß es verboten ist«, fährt Mrs. Boyd mit unglaublicher Naivität fort, »warum tun Sie es

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