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Madrapour - Merle, R: Madrapour

Madrapour - Merle, R: Madrapour

Titel: Madrapour - Merle, R: Madrapour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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»ich bin sehr verärgert«, wobei die englische Wendung ziemlich oft eine euphemistische Nebenbedeutung hat, die über die wörtliche Bedeutung hinausgeht. Was mich verblüfft, ist die königliche Art, wie der Inder dieses Wort ausspricht, als ob wir alle anfangen müßten zu zittern, weil er
annoyed
ist.
    Er läßt seinen Blick über unseren Kreis schweifen und fährt ohne jede Hast mit sorgfältiger Betonung und einer gewissen Resignation fort: »Ich werde meine Pläne ändern müssen auf Grund eines unvorhergesehenen Umstandes: es befindet sich niemand im Cockpit.«
     
    Die Verblüffung in unserem Kreis äußert sich zunächst in Schweigen, dann in einem Wortschwall, der sich von allen Seiten gleichzeitig ergießt und Unglauben, Angst, Bestürzung widerspiegelt. Der Inder beobachtet dieses Durcheinander schweigend und mit verächtlicher Miene, die mir ziemlich heuchlerisch erscheint: er ist gut zwei Minuten im Cockpit gewesen,hat also genug Zeit gehabt, sich von dem Schock zu erholen, daß er keine Besatzung vorgefunden hat. Unter solchen Umständen ist es kein Kunststück, sich einfach als
annoyed
zu bezeichnen, während wir in unserem Kreis die Fassung verlieren.
    »Aber das ist unglaublich!« sagt Blavatski so laut, daß Schweigen eintritt. »Ich habe schon vom Boden aus ferngelenkte Militärflugzeuge gesehen, aber niemals Langstreckenmaschinen, die auf solche Weise gesteuert wurden!«
    »Ich auch nicht«, sagt der Inder. »Aber vielleicht möchten Sie, Gentlemen, jemanden aus Ihrer Mitte zur Besichtigung des Cockpits entsenden?«
    »Ich wäre dazu bereit«, sagt Pacaud. »Ich habe während des Krieges bei den Fliegern gedient.«
    »In welcher Qualifikation?« fragt der Inder.
    »Ich war Funker.«
    »Ausgezeichnet. Gehen Sie, Mr. Pacaud. Ich habe nämlich keine Spur einer Funkanlage im Cockpit gefunden.«
    Pacaud, der seine Hände nicht zu bewegen wagt, sieht abwechselnd die beiden Piraten an. Der Inder sagt leise ein paar Worte zu seiner Assistentin. Dann bedeutet er Pacaud durch ein Zeichen, daß er aufstehen darf.
    Pacaud verschwindet hinter dem Vorhang zur Pantry, und der Inder fragt seine Assistentin auf Hindi, wie wir uns verhalten haben.
    »Vorsicht«, sagt sie, »sprich nicht Hindi. Dieses Schwein versteht alles«, fährt sie fort und deutet mit dem Lauf ihrer Waffe auf mich.
    Sie sagt es selbstverständlich auf Hindi, zu meiner Erbauung. Ich bin also ein Schwein, und Mrs. Boyd ist eine alte Sau.
    »Oh«, sagt der Inder auf englisch mit ziemlich boshaftem Lächeln. »Der Gentleman versteht Hindi?«
    Aber er legt so viel Ironie in das Wort »Gentleman«, daß der von seiner Gefährtin verwendete Ausdruck vergleichsweise freundschaftlich klingt.
    Und während mich der Inder mit unverhohlener Feindseligkeit ansieht, fährt er spöttisch fort: »Wie liebenswürdig von Ihnen, daß Sie sich die Mühe gemacht haben, die Sprache von Farbigen zu erlernen!« Er sagt es mit spitzen Lippen ohne jeglichen Humor.
    »Ich habe doch gar nicht gesagt, daß die Inder Farbige sind«, erwidere ich voller Erstaunen darüber, daß ich so schlecht behandelt werde, weil ich seine Sprache spreche.
    »Sie denken es«, sagt er anklagend.
    »Gewiß unterscheiden wir uns in der Hautfarbe, aber ich messe dem keine Bedeutung bei.«
    »Wie nett von Ihnen«, sagt der Inder in feindseligem Ton und sieht weg.
    Ich starre ihn fassungslos an. Obwohl Indien seit Ende des letzten Weltkrieges ein unabhängiges und geachtetes Land ist, leidet dieser junge Inder in einem solchen Maße an den Folgen der Kolonisation (die er nicht kennengelernt hat), daß er gegenüber den Europäern einen militanten Gegenrassismus entwickelt hat.
    Da taucht Pacaud wieder auf, rot vom Kinn bis zum Hinterkopf, setzt sich auf seinen Platz und sagt atemlos: »Im Cockpit ist tatsächlich niemand, und ich habe auch keine Spur einer Funkanlage klassischer Art gefunden.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß eine Funkanlage vorhanden ist, jedoch ein Typ, den Sie nicht kennen?« fragt der Inder.
    »Ganz gewiß«, antwortet Pacaud, »denn es muß eine Verbindung zwischen dem Boden und der Maschine bestehen, sonst könnte sie nicht fliegen.«
    »Sie sind zu den gleichen Schlußfolgerungen wie ich gelangt, Mr. Pacaud«, fährt der Inder fort. »Man könnte glauben, daß der BODEN« – er betont dieses Wort, und in der Folge bedienen auch wir uns dieses Begriffs, um die Leute zu benennen, die unseren Flug von der Erde aus steuern –, »man könnte glauben, daß der BODEN

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