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Madru

Madru

Titel: Madru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Hetmann
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nicht Urlaub genommen. Findet er nicht auch, daß die Frauen an meinem Hof ungewöhnlich hübsch und begehrenswert sind? Bis später, Madru. «
    Die junge Frau, mit der er getanzt hatte, nahm ihn wieder bei der Hand und führte ihn aus der Höhle hinaus auf eine Flußaue. Wie Schneeflecken lag das Mondlicht auf Gräsern und Büschen. Irgendwo hörte er das tosende Geräusch eines Baches. Sie gingen auf das Wasser zu. Die junge Frau lehnte sich an einen schrägstehenden Weidenstamm und lächelte. Sie hob ihren Rock. Darunter war sie nackt. Er legte seine Hand auf ihren Schoß und sie küßten sich.
    »Hast du sie flüstern gehört?« fragte sie.
    »Ich hörte etwas, aber sehr fern.«
    »Das habe ich dir ja gesagt«, antwortete sie. Sie zog ihn fest an sich. Ihre Hände fuhren unter sein Hemd und strichen über seinen Rücken.
    »Wie schön heiß du bist«, sagte sie erregt, »hier am Bach ist es immer feucht und kühl.«
    Er dachte: ich sollte sie fragen, wie sie heißt. Das vergaß er. Er sank durch einen Strudel in dieses Nicht-mehr-Wissen hinab. Aber als die Lust endete, war da ein Geräusch. Das mußten die Stimmen sein, die sie gemeint hatte. Er sah im Wasser treibende Körper. Die Kleider vollgesogen. Seegras zwischen großen, unangenehm weißen Brüsten. Gesichter, angenagt von Ratten. Steine in ihren Taschen. Einen Dolch in der Brust. Ein Neugeborenes trieb vorbei. Zwei Prinzen, die man in einem Faß Wein ertränkt und dann in den Bach geworfen hatte. Und alle flüsterten sie so voller Verlangen immer wieder diese paar Worte. So rasch, so leise. Er konnte sie immer noch nicht verstehen. Es war ihm, als müsse er erst noch in einen Brunnen springen und die Worte von dessen Grund heraufholen. Er hielt die Luft an und sprang hinab. Er sah einen goldenden Ball dort unten liegen, und als er ihn berührte, hörte er zu den Schlägen ihrer wie toll schlagenden Herzen endlich, was all die Ertrunkenen murmelten: »Die Schlucht des Vergessens. «
    Die junge Frau und er lösten sich voneinander. Sie strich sich mit der Hand ihr Kleid glatt.
    »Danke«, sagte Madru.
    »Das Wort hast du gehört«, sagte sie, »jetzt wirst du fortgehen.« »Es hat keine Eile ... jetzt nicht mehr. Wie heißt du?«
    »Ich Habe keinen Namen«, antwortete sie, »es sei denn, du würdest mir einen schenken. Ich bin eins der vielen Weidenweiber, die ihre Beine breit machen für die Soldaten nach der Schlacht.«
    »Gut«, sagte er, »dann sollst du Melancholia heißen.« »Wie kommst du nur darauf?«
    »Es ist ein schöner Name. Er paßt zu dir. Er schließt alles ein, was ich mir dir erlebte. Oder würdest du lieber Melanie heißen? Melanie ist nichts Besonderes. Aber eine Frau, die Melancholia heiß, die wird keiner vergessen. «
    Darauf schieden sie, und nachdem er ein paar Schritte gegangen war, zog er die zweite Karte. Es war die Karte 0 des Bilderspiels: DIE BIRKE.
    Er befand sich in einem hohen Gebirge mit kahlen Schluchten und nackten, felsigen Kämmen, auf denen Schnee lag. Ein schmaler Pfad schraubte sich einem Paß entgegen. Madru überholte einen jungen Mann, der einen langen Stab in der Hand hatte und ein Ränzel auf dem Rücken trug. Um die Füße des Wanderers tänzelte ein kleiner weißer Hund.
    »Guten Tag, Kamerad«, sagte Madru.
    »Einen glücklichen Tag auch dir und möge der Weg unter deinen Sohlen niemals steinig sein«, antwortete der Bursche freundlich. »Du hast einen kräftigen Schritt«, sagte Madru, der Mühe hatte, an seiner Seite zu bleiben.
    »Das versteht sich«, sagte der junge Mann, »ich erfülle eine ›Gesa‹. Und falls ihr in Norrland nicht wißt, was das ist, will ich es dir auch gleich erklären. Es ist ein Befehl, dem man unbedingt gehorchen, ein Auftrag, den man unbedingt erfüllen muß. Ich bin unterwegs zu der Quelle, aus der das Wasser des Lebens fließt, und wenn ich in hundert Jahren nicht zurück bin, heiratet mein Mädchen einen Schneider, und das darf nicht sein.«
    »Ich habe auch meine Sorgen«, sagte Madru, »ich suche den Weg ins Totenreich. «
    »Was wäre einfacher als dort hinzugelangen«, entgegnete der junge Mann, »sieh einmal da hinab. Das ist die ›Schlucht des Vergessens‹. Du mußt nur dort hinunter. Wer durch die Schlucht gelangt ist, der reist hinfort mit leichtem Gepäck und das ist eine wichtige Voraussetzung, wenn man hin will, wo du hinwillst.«
    »Ich habe gar kein Gepäck.«
    »Du hast immer noch mehr als du meinst«, sagte der Wanderer. »Und wie komme ich dort

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